Lukianenko Sergej
eines Zauberers, auch wenn er im
Grunde bloß ein Stock ist.«
»Ist mir auch schon aufgefallen«, bemerkte Trix etwas
missmutig.
»Der Stab des Soufflöticus kommt der Sache schon
näher! Du kannst ihn so zurechtzaubern, dass er bei Bedarf ein grauenvolles purpurrotes Licht oder ein zauberisches grünes Licht abgibt. Oder Funken ausstößt, wenn
du ihn auf die Erde stampfst oder ihn gegen deinen Feind
stößt. Oder so, dass er bei Gefahr, wenn du vor lauter
Angst schweißfeuchte Hände hast, bedrohlich brüllt und
schrecklich stöhnt. Allerdings musst du dich für eine der
drei Varianten entscheiden!«
»Verstehe.« Trix dachte nach. »Und der Stock des Initiaticus?«
»Der kann zugleich leuchten, Funken ausstoßen und
Geräusche machen!«
»Und der Stab von einem richtigen Zauberer?«
»Dem sind nur durch deine Fantasie Grenzen gesetzt«,
sagte Sauerampfer. »Ich zum Beispiel mag es, wenn aus
dem Stab Blumen sprießen, sobald ich mit ihm aufstampfe. Und wenn ich Angst habe, fliegen aus dem
Stock Raben heraus und kreisen mit wütendem Gekrächze über mir.«
»Aber was kann der Zauberstab?«, fragte Trix leise,
obwohl er die Antwort bereits wusste.
»Er beeindruckt die Umwelt«, antwortete Sauerampfer
genauso leise. »Du musst verstehen, mein Freund, dass
die Arbeit eines Zauberers zu neunzig Prozent Arbeit am
Zuschauer ist!«
Trix nickte.
»Genau deshalb kannst du mit einem raffinierten Zauberstab stärkere Zauber wirken! Und nun leere deinen
Kelch, mein ruhmreicher Soufflöticus!«
Trix seufzte und leerte in einem Zug seinen Kelch.
Der Wein war dick, süß und stark, weitaus stärker als
der, den er immer in seinem Elternhaus getrunken hatte.
Ihm wurde sofort schwindlig.
»Er hat sich im Kampf sehr gut gehalten«, sagte Paclus gerade. »Von Anfang an.«
»Ich will davon nichts hören!«, rief Sauerampfer aufgebracht. »Nichts! Das ist mein gutes Recht!«
»Und wenn ich eine Geschichte erzähle, die mir mal
sonst wann passiert ist?«, fragte Paclus. »Eines schönen
Tages nämlich kam ein junger Magier zu mir …«
»Das ist eine Idee!«, rief Sauerampfer begeistert.
»Aber ohne Namen!«
Ian und Hallenberry trugen feierlich die Brathähnchen
aus der Küche herein. Vom Anblick des Essens gnädig
gestimmt, reichte Sauerampfer Ian ein Bein und einen
Flügel, Hallenberry ein Bein und schickte sie zum Essen
in die Küche. Gekicher und Klappern von Geschirr, das
immer wieder zu hören war, deuteten darauf hin, dass die
beiden sich dort wahrlich nicht langweilten.
»Da sahen wir das Schiff der Vita… des Feindes!«,
erzählte Paclus weiter.
Annette, die die letzte Stunde mürrisch durchs Zimmer
geflogen war, näherte sich im Sturzflug Trix’ Ohr und
flüsterte: »Ich fliege etwas Essen holen, mein Liebling.«
»Wo?«
»Es gibt hier am Stadtrand ein kleines Feld«, antwortete sie vage. »Lass mir ein Stück von der Torte übrig,
ja?«
»Von welcher Torte?«
»Von der, die der Konditor Sauerampfer für … für ein
Elixier gebracht hat.« Annette zog es heute vor, sich in
Rätseln auszudrücken. »Bis dann, mein Lieber!«
Die Fee flog davon, und Trix, der auf Bitte des Zauberers aus dem Büfett eine zweite Flasche Wein holte, hörte
gebannt weiter der Geschichte von seinen Heldentaten zu.
Obwohl er kaum noch Wein trank, döste er bald ein und
hätte beinahe Annettes Rückkehr verschlafen.
»Ich küsse euch alle!«, rief die Fee aus, als sie durch
das offene Oberlicht hereinflog. Mit fröhlichem Lachen
führte sie einen Tanz über dem Tisch auf.
Sauerampfer und Paclus, die gerade die Frage erörterten, ob der gemeine Vitamant am Meeresboden bis zu
den Kristallenen Inseln gelangen könnte, verstummten
und sahen Annette neugierig an.
»Warum so trübselig?«, fragte die Fee, während sie
den Magier und den Ritter mit glitzerndem Silberstaub
bestreute. »Warum freut ihr euch nicht mit mir? Ich will
Spaß! Ich will feiern!«
»Sag mal, Annette, könntest du nicht auf unsere Größe
wachsen?«, fragte Paclus und strich sich über den Bart.
Sauerampfer, der ihr diese Frage auch schon gestellt
hatte, lächelte skeptisch. Doch die Fee beendete zu seiner
Überraschung ihren Tanz in der Luft. »Sicher«, antwortete
sie. »Aber dafür musst du mich küssen!«
»Jederzeit!«, erwiderte der Ritter prompt.
Annette ging tiefer und landete auf der Hand, die der
Ritter ihr hinhielt. Sauerampfer schnaubte zweifelnd. Der
Ritter hustete, führte Annette behutsam an seine Lippen
und schmatzte ihr
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