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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sie ihn nie verlässt.»
    Zweifel an der Schuld ihres Bruders schien auch sie nicht zu haben. Sie legte das Besteck auf ihren Teller, den Kopf auf den Tisch und weinte, hörte gar nicht mehr auf. Länger als eine halbe Stunde saßen wir so da mit ihr. Ein Dutzend Mal fragte ich, wen ich anrufen könnte, damit sie nicht allein blieb.
    Sie schüttelte immer nur den Kopf, antwortete erst, als ich fragte: «Wo ist Ben?»
    «In den Rüben», schluchzte sie. «Ich hab doch gesagt, die Männer sind alle in die Rüben – seit heute früh.»
    «Wo ist deine Schwiegermutter?», fragte Dirk.
    «Schon lange weg», murmelte Patrizia. Dann erzählte sie ein wenig vom Weihnachtsfest im vergangenen Jahr, als Renate Kleu zum ersten Mal ihre Koffer gepackt hatte.

Das Fest der Liebe
    Am frühen Abend musste das Vieh versorgt werden. Kühe, Kälber und der Zuchtbulle kannten keine Feiertage. Draußen war es längst dunkel und sehr kalt, nur wenige Grad über null. Während Dieter die Arbeit in den Stallungen erledigte, wollte Patrizia sich bei Ben entschuldigen, hoch und heilig versprechen, ihn nie mehr anzuschreien, bestimmt nicht, wenn er in Miriams Auftrag eine Puppe kaputtmachte und bemalte. Zweifel an Marias Vermutung, dass Miriam Wagner ihn angestiftet hatte, kamen Patrizia nicht. Mit der alten Barbie hatte Ben schließlich immer nur gespielt.
    In seinem Zimmer, wo Renate Kleu ihn bei ihrem Aufbruch vermutet hatte, war er nicht. Patrizia suchte zuerst das Haus, dann die Nebengebäude und das gesamte Grundstück nach ihm ab, ohne Erfolg. Kurz nach sieben brachen sie in Dieters Golf zu einer eiligen Suche auf. Ben hatte nicht mal sein Jackett übergezogen, das hing in der Küche über einer Stuhllehne.
    Patrizia war sehr besorgt und sehr gekränkt. Nach allem, was sie am Nachmittag gehört hatte, fühlte sie eine noch tiefere Verbundenheit mit Ben. «So eine Gemeinheit», schimpfte sie. «Und ich hab gedacht, dein Vater mag uns wirklich.»
    Dieter fand es nicht weiter tragisch, wenn sein Vater Patrizia nicht so mochte, wie sie sich das vorgestellt hatte. Er liebte sie, das musste reichen. Und in der Situation hielt er es für sinnvoller, sich den Kopf zu zerbrechen, wo sie Ben finden könnten. Sie versuchten es zuerst auf dem Friedhof. Dort hielt sich um die Zeit niemand auf. Ein eiskalter Wind wehte über die Grabreihen und ließ etliche Lichter flackern. Ob Ben das Grab seiner Mutter besucht hatte, war nicht festzustellen.
    Sie fuhren weiter zum Bungalow. Dort war niemand.
    Miriam Wagner saß seit dem Nachmittag bei Nicole und Hartmut, wo Dieter und Patrizia kurz nach neun Uhr ankamen. Walter Hambloch hatte sich verabschiedet, als Miriam ein paar spitze Bemerkungen über Freundschaft fallen ließ und sich erkundigte, wie das Angebot an Nicole nach Hartmuts Unfall gemeint gewesen sei. Von wegen: «Wenn ich etwas tun kann, ein Wort genügt. Und wenn es etwas ist, womit du Hartmut das Herz nicht schwer machen willst, ich kann schweigen.»
    Nicole bedauerte, ihr davon erzählt zu haben. Als Patrizia und Dieter erschienen, schlug sie vor, die Polizei zu informieren.
    «Ich glaub nicht, dass mein Vater damit einverstanden ist», meinte Dieter. «Dann heißt es nachher wieder, Ben müsste ins Heim. Das will mein Vater nicht, das weiß ich sicher.»
    Auch Miriam hielt es für überflüssig, gleich die Behörden einzuschalten. «Ben ist hier aufgewachsen, er kennt jeden Stein. Und er ist kein kleines Kind.»
    «Er ist eine hilflose Person», gab Nicole zu bedenken.
    «Und es ist so kalt, er hat nur ein Hemd an», jammerte Patrizia.
    «Wenn er friert, sucht er sich schon ein warmes Plätzchen», sagte Miriam und schlug vor, Patrizia und Dieter sollten zurückfahren zum Hof. «Vielleicht sitzt er längst vor der Tür.»
    Dort saß er nicht, hatte auch nicht Zuflucht in den warmen Stallungen gesucht. Dieter probierte in kurzen Abständen, seinen Vater telefonisch bei Maria zu erreichen. Die Leitung war immer besetzt. Und Brunos Handy lag im Wohnzimmer.
    Kurz vor elf Uhr rief Patrizia bei Walter Hambloch an. Das Haus seines Vaters lag ganz in der Nähe von MariaJensens Haus. Walter Hambloch ging sofort hinüber, klopfte und klingelte so lange, bis Maria ihm öffnete. Dass Ben verschwunden war, berührte sie nicht sonderlich. Wo Bruno sich aufhielt, konnte sie nicht sagen. Er war ihr bis zu ihrem Haus gefolgt, hatte minutenlang um Einlass gebeten, nachdem ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen worden war. Dann hatte er noch eine Weile im Auto

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