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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Kleiner Blechschaden. Mein Auto braucht einen neuen Kotflügel und eine neue Tür. Für die Dauer der Reparatur habe ich mir schon einen Ersatzwagen besorgt.»
    «Ich hatte nie eine Mutter», sagte Nicole, ohne zu wissen, warum sie es Miriam erklärte. «Mich hat ein Hund unter einem Auto gefunden. Da war ich ungefähr drei Tage alt. Es hat geregnet. Der Mann, dem der Hund gehörte, wollte sich keine nassen Füße holen. Dann wunderte er sich, dass der Hund nicht zurückkam. Da hat er nachgeschaut. Ich war schon ziemlich unterkühlt. Noch ein paar Stunden länger, und das wär’s gewesen. Glück gehabt. Aber so ziemlich das einzige Glück in meinem Leben.»
    Miriam runzelte die Stirn, überrascht oder unwillig, das war Nicole nicht so ganz klar. Sie sprach schnell weiter. «Mein Mann hatte auch einen Unfall auf der Landstraße, letztes Jahr im März. Ein halbes Bein weg, ein Arm ist steif geblieben. Arbeiten kann er nicht mehr. Und eine Rente in dem Alter ist ein Witz, es war ja kein Arbeitsunfall. Wir leben nur von meinem Verdienst. Das Auto ist natürlich versichert. Aber wenn ich den Schaden melde und die Prämie steigt, wird’s verdammt eng. Außerdem war es nicht allein meine Schuld. Wenn du Achim Lässler in Ruhe gelassen hättest und er mir nicht vors Auto gesprungen wäre   …»
    «Schon gut, Herzchen.» Miriam stand auf, die Kekskrümel rieselten von ihrem Kleid auf den Teppich, verteilten sich auf den Blutflecken wie gelbe Schneeflocken. Miriam verließ den Raum, als sie zurückkam, hielt sie ein Bündel Geldscheine in der Hand. «Bring den Wagen in die Werkstatt und gib mir die Rechnung. Ich regle das mit meiner Versicherung.»
    Nicole wusste nicht, was sie sagen sollte. Plötzlich war es peinlich. «So habe ich das nicht gemeint», begann sie. «Ich dachte nur, wenn jeder seinen Schaden selbst trägt oder du vielleicht mit Achim Lässler sprichst, genau genommen hat er   …»
    Miriam unterbrach sie mit einem Lächeln. «Ich schätze, mit ihm habe ich fürs Erste genug gesprochen und mich ziemlich im Ton vergriffen. Es ist für mich keine leichte Situation hier. Manchmal stelle ich mir vor, dass jemand von der Lässler-Familie auf die Idee kommt, einen Molotow-Cocktail durch ein Fenster zu werfen.»
    «Warum lebst du dann hier?», fragte Nicole.
    Miriam lächelte: «Warum bohrt sich ein Fakir Nägel ins Fleisch? Es gibt nicht auf alles eine Antwort, Herzchen.»
    Sie drückte Nicole das Geldbündel in die Finger. «Es sind fünftausend. Das müsste reichen, wenn nicht, sag mir Bescheid. Und denk noch einmal über mein Angebot nach, zweihundert Mark mehr für drei Stunden Arbeit täglich.»
    «Ja», sagte Nicole, steckte das Geld ein, sagte noch: «Danke», und fühlte sich nun sehr erleichtert und beschämt. «Fünftausend sind wahrscheinlich zu viel. Es ist ja nur der Kotflügel.»
    «Umso besser», meinte Miriam. «Wenn etwas übrig bleibt, über eine Einladung zum Essen würde ich mich sehr freuen. Ich kenne hier noch niemanden.»
    «Ja», sagte Nicole noch einmal. Es würde bestimmt eine Menge übrig bleiben. Und irgendwie müsste sie sich wohl revanchieren.
    Hartmut Rehbach sah das auch so. Bei der überaus kulanten Schadensregulierung war er sofort einverstanden, Miriam Wagner einmal einzuladen. Er wollte sie sogar im großen Kreis einführen. «Machen wir nächste Woche», schlug er vor. «Da hat Walter frei, Bärbel und Uwe kommen bestimmt, vielleicht haben Andreas und Sabine auch Lust. Du kochst uns was Gutes, und   …»
    Das hielt Nicole für keine gute Idee. Abgesehen davon, dass eine größere Runde in ihrer Wohnung nicht bequemsitzen und essen konnte, widerstrebte es ihr, Miriam Wagner mit Andreas Lässler zusammenzubringen. Andreas litt zwar nicht gar so sehr unter dem Tod seiner jüngsten Schwester wie Achim, aber auch er hatte mal eine Bemerkung gemacht, die dagegen sprach.
    «Was denkt dieses Weib sich eigentlich? Sitzt da hinten und schaut sich das Haus an, in dem eines der Opfer aufgewachsen ist. Das muss ja wahnsinnig viel Spaß machen. Irgendwann zeigt ihr mal einer, dass andere es nicht so lustig finden.»
    Dass Andreas sich zu etwas hinreißen ließ, schloss Nicole aus. Er war vernünftig. Sie vermutete, dass sein Bruder Achim zu Hause vielleicht einmal eine Drohung gegen die Frau im Bungalow geäußert hatte. Bisher hatte Nicole in Achim Lässler keine Gefahr gesehen. Aber wenn er so gereizt wurde wie an dem Morgen, wie konnte Miriam Wagner anbieten, ihm das Blut seiner

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