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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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sieht nach, wie viel noch übrig ist. Sie sagt: »Weißt du, was ich wirklich gern wäre? Ein Empath, da muss ich Leute nur anfassen, und schon sind sie geheilt.« Sie liest das Etikett und sagt: »Helen sagt, wir können die Welt in ein Paradies verwandeln.«
    Ich setze mich halb auf dem Bett auf, stütze mich auf die Ellbogen und sage, Helen töte Menschen für Diamanten. Da weiß man doch, was das für eine Erlöserin ist.
    Mona wischt Pinzette und Nadel am Handtuch ab und hinterlässt noch mehr rote und gelbe Schmierstreifen. Sie riecht an der Alkoholflasche und sagt: »Helen meint, du willst das Buch nur für einen Zeitungsartikel ausschlachten. Sie sagt, wenn die Zaubersprüche erst einmal alle – auch das Merzlied – vernichtet sind, kannst du überall herumposaunen, dass du der große Held bist.«
    Ich sage, Nuklearwaffen seien schon schlimm genug. Chemiewaffen. Ich sage, die Welt werde nicht besser, wenn gewisse Leute über magische Kräfte verfügen.
    Ich sage Mona, dass ich ihre Hilfe brauche, wenn es so weit ist.
    Ich sage, es kann sein, dass wir Helen umbringen müssen.
    Und Mona schüttelt den Kopf über den blutigen Ruinen auf dem Motelhandtuch. Sie sagt: »Dein Mittel gegen zu viel Töten ist also noch mehr Töten?«
    Nur Helen, sage ich. Und vielleicht Nash, falls meine Vermutung hinsichtlich des Todes dieser Fotomodelle sich als richtig erweist. Nachdem wir die getötet haben, können wir wieder zum normalen Leben zurückkehren.
    Im Fernsehen sagt der junge Mann mit dem Mikrofon, ein Feuer höchster Alarmstufe habe die gesamte Innenstadt paralysiert. Er sagt, das ganze Gebäude stehe in Flammen. Er sagt, es sei eine der beliebtesten Einrichtungen der Stadt.
    »Oyster«, sagt Mona, »hat was gegen deine Vorstellung vom normalen Leben.«
    Bei dem brennenden Gebäude handelt es sich um die Bücherscheune. Und Helen und Oyster, eben noch hinter dem Reporter, sind verschwunden.
    Mona sagt: »Hast du dich schon mal gefragt, warum wir bei einem Krimi immer mit dem Detektiv zittern, dass er gewinnt?« Sie sagt, vielleicht gehe es uns nicht nur um Rache oder dass das Töten beendet werde. Vielleicht sehnen wir uns im Grunde danach, dass der Mörder erlöst wird. Der Detektiv, der ihn jagt, ist der Erlöser des Mörders. Stell dir vor, Jesus wäre hinter dir her, er würde alles daransetzen, dich zu kriegen, um deine Seele zu retten. Nicht bloß ein geduldiger, passiver Gott, sondern ein zäher, aggressiver Bluthund. Wir wollen, dass der Verbrecher vor Gericht seine Tat gesteht. Wir wollen, dass er in der Entlarvungsszene, im Kreis der Mitverdächtigen, seiner Tat überführt wird. Der Detektiv ist ein Hirte, und wir wollen, dass der Verbrecher zu seiner Herde zurückkehrt, dass er zu uns zurückkehrt. Wir lieben ihn. Wir haben ihn schon vermisst. Wir wollen ihn in die Arme schließen.
    Mona sagt: »Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Frauen Mörder im Gefängnis heiraten. Um sie zu heilen.«
    Ich sage, mich vermisse niemand.
    Mona schüttelt den Kopf und sagt: »Weißt du, du und Helen, ihr seid meinen Eltern sehr ähnlich.«
    Mona. Mulberry. Meine Tochter.
    Und ich falle aufs Bett zurück und frage, wie sie das meint.
    Und Mona zieht mir einen Türrahmen aus dem Fuß und sagt: »Heute Morgen hat Helen zu mir gesagt, es könnte sein, dass sie dich umbringen muss.«
    Mein Piepser meldet sich. Er zeigt mir eine Nummer, die ich nicht kenne. Der Piepser sagt, dass es sehr wichtig ist.
    Und Mona fördert ein buntes Glasfenster aus einer blutigen Grube in meinem Fuß. Sie hält es hoch, sodass die Deckenlampe durch die bunten Teilchen leuchtet. Sie betrachtet das winzige Fenster und sagt: »Oyster macht mir größere Sorgen. Er sagt nicht immer die Wahrheit.«
    Und genau in diesem Augenblick fliegt die Tür des Motelzimmers auf. Die Sirenen draußen. Die Sirenen im Fernsehen. Die rot-blauen Blinklichter, die über die Vorhänge huschen. Helen und Oyster stürzen lachend und keuchend zu uns herein. Oyster schwenkt eine Tüte mit Kosmetika. Helen trägt ihre Stilettos in einer Hand. Die beiden riechen nach Scotch und Rauch.

26
     
    Man stelle sich eine Seuche vor, die man sich durch die Ohren einfängt.
    Oyster und sein ganzer Ökomumpitz, Bäume umarmen und so was, Oyster und sein apokryphisches Gefasel von Bioinvasionen. Das Virus seiner Informationen. Was früher für mich ein schöner tiefer grüner Dschungel war, ist jetzt eine Tragödie von englischem Efeu, der alles andere zu Tode würgt. Die

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