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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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sie das ganze Gebäude in Brand gesteckt. Wegen drei Büchern. Sie haben Zehntausende von Büchern verbrannt, um sicherzustellen, dass auch diese drei vernichtet würden.
    »Das schien uns die einzige realistische Möglichkeit zu sein«, sagt Helen. »Du weißt schließlich, was diese Bücher anrichten können.«
    Aus irgendeinem Grund muss ich an Sodom und Gomorra denken. Wie Gott die Stadt verschont hätte, wenn noch ein einziger guter Mensch darin gewesen wäre.
    Und das Ganze hier ist das genaue Gegenteil. Tausende getötet, um einige wenige zu vernichten.
    Man stelle sich ein neues finsteres Mittelalter vor. Man stelle sich die brennenden Bücher vor. Und Tonbänder und Filme und Dateien, Radios und Fernseher, alles wandert auf denselben Scheiterhaufen.
    Ob wir diese Welt verhindern oder dadurch gerade erst herbeiführen  – ich weiß es nicht.
    Im Fernsehen wurde gesagt, zwei Sicherheitsleute seien nach dem Brand tot aufgefunden worden.
    »In Wirklichkeit«, sagt Helen, »waren die schon lange vor dem Feuer tot. Wir haben einige Zeit gebraucht, um das Benzin zu verteilen.«
    Wir töten Menschen, um Leben zu retten?
    Wir verbrennen Bücher, um Bücher zu retten?
    Ich frage, wozu sich diese Reise wohl entwickelt.
    »Zu dem, was sie von Anfang an war«, sagt Oyster und fädelt eine Haarsträhne in eine I-Ging-Münze. »Sie dient dem Griff nach der Macht.«
    Er sagt: »Du willst die Welt so lassen, wie sie ist, Dad, nur mit dir an den Schalthebeln.«
    Helen, sagt er, will dieselbe Welt, aber mit ihr an den Schalthebeln. Jede Generation will die letzte sein. Jede Generation verabscheut den nächsten Trend in der Musik, den sie nicht kapiert. Wir geben die Zügel uns erer Kultur nicht gern aus der Hand. Um dann unsere Musik im Aufzug hören zu müssen. Die Balladen unserer Revolution, zu Hintergrundmusik der Fernsehwerbung geworden. Um Kleidung und Haarmode unserer Generation plötzlich als retro bezeichnet zu sehen.
    »Ich«, sagt Oyster, »ich bin sehr dafür, reinen Tisch zu machen, weg mit Büchern und Menschen, und noch mal von vorn anfangen. Ich bin dafür, dass niemand an den Schalthebeln sitzt.«
    Mit ihm und Mona als neuer Adam und neue Eva?
    »Nichts da«, sagt er und streicht Monas Haar aus dem schlafenden Gesicht. »Wir müssten auch weg.«
    Ich frage, ob er die Menschen so sehr hasst, dass er die Frau umbringen würde, die er liebt. Ich frage, warum er sich nicht einfach selbst umbringt.
    »Nein«, sagt Oyster, »ich liebe nur alles im gleichen Maß. Pflanzen, Tiere, Menschen. Ich glaube einfach nicht an die große Lüge, dass wir immer weiter fruchtbar sein und uns vermehren können, ohne uns selbst zu vernichten.«
    Ich sage, er sei ein Verräter an seiner Spezies.
    »Blödsinn, ich bin Patriot«, sagt Oyster und schaut aus dem Fenster. »Dieses Merzlied ist ein wahrer Segen. Was glaubst du wohl, wozu das denn überhaupt gemacht wurde? Es wird Millionen Menschen vor dem langsamen, furchtbaren Tod bewahren, den Krankheit, Hunger, Dürre, Sonnenstrahlung, Krieg und alles andere, was auf uns noch zukommt, uns bringen wird.«
    Er will also sich und Mona umbringen?, frage ich. Und was ist mit seinen Eltern? Will er die auch einfach umbringen? Was ist mit den kleinen Kindern, die noch wenig oder gar nichts vom Leben gehabt haben? Was ist mit all den guten, fleißigen Menschen, die umweltbewusst leben und ihren Müll trennen? Was ist mit den Veganern? Sind die für seine Begriffe denn nicht unschuldig?
    »Hier geht es nicht um Schuld oder Unschuld«, sagt er. »Die Dinosaurier waren im moralischen Sinn weder gut noch schlecht, aber sie sind ausgestorben.«
    Diese Art zu denken macht ihn zu einem Adolf Hitler. Einem Josef Stalin. Einem Serienmörder. Einem Massenmörder.
    Oyster windet Mona ein buntes Glasfenster ins Haar und sagt: »Ich möchte das sein, was die Dinosaurier ausgelöscht hat.«
    Und ich sage, was die Dinosaurier ausgelöscht habe, sei ein Werk Gottes. Ich sage, mit einem Möchtegern-Massenmörder bleibe ich keine Meile länger in einem Auto sitzen.
    Und Oyster sagt: »Und was ist mit Dr. Sara? – Mom? Hilf mir mal. Wie viele andere hat Dad bis jetzt getötet?«
    Und Helen sagt: »Ich näh mir gerade den Fisch.«
    Beim Klicken von Oysters Feuerzeug drehe ich mich um und frage ihn, ob er jetzt unbedingt rauchen muss. Ich sage, ich sei gerade dabei, was zu essen.
    Aber Oyster hat nur Monas Buch über primitive Handwerkskunst genommen, Traditionelles Stammes-Handwerk als Hobby. Er hält es

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