Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
übereinandergeschlagen und den
Kopf in die gefalteten Hände gestützt, so reglos, als wäre sie für die Ewigkeit
eingefroren. Mein Blick heftete sich auf diese schweigende, kalte Skulptur, die
mich aus blicklosen Augen anstarrte, mich beobachtete, wartete ...
»Ich
dachte schon, du kämest gar nicht mehr«, empfing der Schatten
mich unfreundlich, streckte aber noch im selben Atemzug einladend die Hand aus,
um mich hereinzubitten, als sei ich nichts weiter als eine altbekannte
Freundin, die er zum Tee erwartete und die sich ein wenig verspätet hatte.
Ich
zuckte zusammen. Die Stimme war mir nicht unbekannt. »Andreas? Aber ich dachte
…«
Der
Mann beugte sich ein wenig vor, sodass der zuckende Schein der nächstgelegenen
Fackel sein Gesicht aus der Dunkelheit riss. Ich erschrak ein wenig, als ich
ihn sah. In der kurzen Zeit, in der wir getrennt gewesen waren, schien er um mehrere
Jahre gealtert zu sein. Unter seinen Augen lagen tiefe, dunkle Ringe, seine
Wangen wirkten eingefallen und noch farbloser als sonst. Tiefe Falten waren in
seiner Stirn eingegraben und ließen ihn ungehalten wirken. Als er mir ungeduldig
winkte, näherzutreten, sah ich, dass seine Finger dürr wie Zweige waren. Von
dem attraktiven Mann, als den ich ihn vor wenigen Stunden noch angesehen hatte,
war nicht mehr viel übrig geblieben.
»Der
Herr lässt sich entschuldigen, er ist sehr beschäftigt. Du wirst stattdessen
mit mir vorliebnehmen müssen. Wie fühlst du dich, meine Liebe? Ich hoffe doch
sehr, man hat dich mit gebührendem Respekt behandelt?«
»Ich
kann mich nicht beklagen«, gab ich ein wenig verwirrt zurück. Auf eine
entsprechende Geste meines Gastgebers ließ ich mich in den Stuhl sinken, der
dem mit ausgeblichenen Stoff bespannten Sessel gegenüberstand, in dem Andreas zusammengesunken
wie ein alter Mann saß.
»Verzeih,
aber ich bin etwas verwundert, dass du hier bist«, begann ich zögerlich.
»Man sagte mir, dein Meister würde mich erwarten, und jetzt …«
»Was
weißt du über meinen Meister?«, fragte Andreas gedehnt, während er seine langen
Beine entfaltete. Er hatte das weiße Gewand, in dem ich ihm am ersten Tag
unserer Begegnung getroffen hatte, abgelegt und war nun in Schwarz gekleidet –
zumindest, sofern ich das bei den schlechten Lichtverhältnissen erkennen
konnte. Schwarze Hosen, schwarzes Hemd. Das einzig Helle an ihm waren seine
Haut und sein langes, zerzaust aussehendes Haar. Es war das erste Mal, dass
sein Haar nicht seidenglatt an seinem Kopf anlag, und das verstörte mich
beinahe mehr als die unverkennbaren Spuren der Erschöpfung in seinem Gesicht.
»Nicht
… viel«, sagte ich in die unangenehm werdende Stille hinein. »Er soll ein
mächtiger Magier sein. Aber auch böse. Gefährlich.«
»Gefährlich
durchaus«, erwiderte Andreas. »Aber böse? Wie kommst du auf diesen Gedanken,
Laura?« Seine eiskalte, dürre Hand berührte meinen Unterarm. Ich schrak zusammen,
hatte mich dann aber sofort wieder unter Kontrolle.
»Nun,
er hat viele Menschen getötet«, gab ich zurück. Ich fühlte mich zusehends
unwohler.
»Feuer
tötet ebenfalls«, sagte Andreas langsam. »Das macht es unweigerlich gefährlich.
Aber hältst du es deshalb für böse?«
Ich
schauderte und fühlte mich unvermittelt an jenen Tag zurückversetzt, als ich
beinahe in einem Flammenmeer ums Leben gekommen war. »Wenn es gerade dabei ist,
mich mit Haut und Haaren zu verschlingen, bestimmt.«
»Das
ist eine kluge Antwort, Laura.«
»Warum
bin ich hier?«
»Weil Er es so will.«
»Hast
du mich etwa verraten, Andreas? Hast du das alles von langer Hand geplant? Du
hast mich nur deshalb vor den Krähen gerettet, damit ich dir hierher nachlaufe
wie ein artiger Hund, habe ich recht?«
»Setz
dich wieder, Laura.«
Ich
hatte kaum bemerkt, wie ich in meiner wachsenden Erregung von meinem Platz
aufgesprungen war und dabei empört auf Andreas herabgestarrt hatte. Widerwillig
ließ ich mich zurück in den Stuhl sinken, ballte die Hände aber zu Fäusten.
»Ich
weiß nicht, was an den Geschichten wahr ist, die ich über deinen Herrn gehört
habe«, gab ich zu. »Aber ich weiß, was ich am eigenen Leib erlebt habe. Dieser
Mann, sofern er denn ein Mann ist, hat mir Schreckliches angetan. Er hat mich
in einen Hinterhalt gelockt und meine Seele mit einem einzigen Schlag
zerschmettert. Seither bin ich nicht mehr dieselbe. Jede Hoffnung auf Glück,
auf Zufriedenheit ist seit diesem Tag in mir erloschen. Was auch immer ich noch
über Ihn
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