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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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ich mich an dem Geländer nach unten, mich allen Instinkten
zum Trotz auf das Feuer zubewegend. Als der beißende Qualm schier unerträglich
zu werden schien, schälte ich mich aus meiner Weste und presste den feuchten
Stoff gegen Mund und Nase, sodass ich die giftigen Dämpfe nicht länger einatmen
musste. Es war wie in einem Backofen. Obwohl die Flammen noch immer weit
entfernt waren, schien mir die Hitze das Fleisch von den Knochen zu schmelzen,
und jeder Atemzug brannte mir geriebenen Glasscherben gleich in den Lungen. Verbissen
arbeitete ich mich Stufe um Stufe in die Tiefe, und je weiter ich vordrang,
desto schwieriger wurde mein Vorhaben. Auch das Feuer selbst verharrte nicht,
sondern kletterte mir beharrlich entgegen, wobei das Tosen und Donnern des
Infernos immer weiter zunahm. Vielleicht war es der mangelnde Sauerstoff in der
Luft, doch mir war, als wäre ich von schadenfrohem Gelächter umgeben.
    Schließlich
musste ich erschöpft innehalten. Schwer atmend – was meine Lunge mit einigen
herzhaften Stichen quittierte – lehnte ich mich gegen das Treppengeländer und
versuchte, ein wenig zu Atem zu kommen. Das Bild schien immer wieder vor meinen
Augen zu zerfließen, als wäre es gar nicht wirklich, sondern nur die Spiegelung
in einem unruhigen See. Eine unverschämt verlockende Schwärze tastete mit
langen Fühlern nach meinem Bewusstsein und wollte mich mit sich in den Abgrund
ziehen. Ich versuchte nach Kräften, die Müdigkeit zurückzudrängen, doch beinahe
wäre ich ihr erlegen.
    Im
letzten Augenblick konnte ich sie überwältigen, und die Schatten, die in meiner
Stirn gewütet hatten, zogen sich zurück. Das war knapp gewesen. Viel zu knapp.
    Meine
Umgebung verlor noch weiter an Substanz, als ich mich daran machte, die nächste
Stufe herabzuklettern. Bildete ich es mir nur ein, oder wuchs sie tatsächlich
ein Stück, während ich mich daran hinunterließ?
    Ein
zu unvorsichtiger Atemzug ließ mich qualvoll husten, und der Schmerz in meiner
Lunge explodierte geradezu. Plötzlich hatte ich keine Luft mehr, konnte nicht
mehr atmen. Verzweifelt rang ich nach Sauerstoff, doch da waren nur noch Gift
und Hitze. Ich keuchte qualvoll, hustete erneut, diesmal bellend und rau, ein
Laut, der sich in meiner Kehle anfühlte wie grobes Sandpapier. Mein Körper
schrie nach Atemluft, beinahe konnte ich ihn hören, wie er entsetzt und in
purer Agonie aufbrüllte: Luft!
    Langsam
sank ich in die Knie.
    Luft!
    Die
Atemnot wurde immer schlimmer. Wie um das letzte bisschen Sauerstoff in mir zu
retten, fasste ich mir an den Hals, klammerte mich daran fest und tat einen
weiteren, noch schmerzvolleren und ebenso vergeblichen Atemzug, der auch noch
den letzten Rest Energie aus mir herauspresste. Das Husten wiederholte sich, wurde
zu einem atemlosen Japsen und sank zu einem kaum hörbaren Wimmern herab.
    Luft! LUFT!
    Meinen
Fingern entglitt ihr Halt, den ich schon beinahe nicht mehr als ein Teil von
mir maß, mein Oberkörper sackte nach vorne und sank in einer grotesk langsamen
Bewegung auf die nächstgelegene Stufe. Alles wirkte entfernt, unwichtig und
surreal, als würde ich als außenstehender Zuschauer auf mich selbst herabblicken.
    Eine
überraschend nüchterne Erkenntnis erschien in meinem Kopf: Ich würde sterben –
nein! – ich starb . Nicht irgendwann, in einem dieser schwammigen Eines-Tages-bestimmt-Momente,
sondern jetzt .
    Ein
letztes Mal klärte sich mein Blick, offenbarte mir die züngelnden Flammen, die
sich immer weiter näherten, und die dichten Rauchschwaden, die mir letzten Endes
zum Verhängnis geworden waren.
    Und
mitten in diesen wallenden Bewegungen hob sich ein einzelner Schatten deutlich
von den anderen ab, eine schmächtige Gestalt inmitten dieser furchtbaren Hölle,
die sich auf mich zubewegte. Doch als ich versuchte, sie mit meinem Blick
festzuhalten, senkte sich wieder die altbekannte Schwärze wie ein eisiges
Leichentuch auf mich herab, und diesmal war sie endgültig.
    Beinahe
war ich erleichtert. Es war vorbei. Endlich war es vorbei. Es hatte schon viel
zu lange gedauert.
    »Wach
auf!«, drang eine seltsam gedämpft klingende Stimme in mein Bewusstsein, weit
entfernt, wie aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit.
    Und
sie war nicht wichtig. Nichts war mehr wichtig.
    Ich
glitt zurück in die tiefe Schwärze, an einen Ort, an dem es keinen Schmerz,
kein Leid gab, sondern bloß unendliche Leere. Es war eine angenehme Stille, die
ich willkommen hieß und gegen die ich mich nicht

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