Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
unteren Hälfte zu lesen:
Schilddrüse mit erhöhten Werten auch bei wiederholter Probe. Deutliche Erhöhung von T4, geringere Erhöhung von T3, was von einer autoimmunen Krankheit abweicht. Weitere Untersuchung durch Szintigramm war geplant, um ein toxisches Adenom auszuschließen, aber die Patientin ist dreimalig der Untersuchung fern geblieben. Ich wäre dankbar für Übernahme der weiteren Betreuung durch den niedergelassenen Arzt Björk.
»Hrm.«
Ein Räuspern. Er hatte Guns ach so energische Schritte schon gehört, war aber so in den Bericht vertieft gewesen, weil er versucht hatte, sich die relativ junge Frau vor Augen zu rufen. Er war bekannt für sein gutes Personengedächtnis.
Das Räuspern war wieder zu hören.
»Ach, hallo. Sind Sie es?«, sagte er und wandte sich Schwester Gun zu, die in der Tür stand. Dort blieb sie meistens stehen, auf der Grenze, weder im Zimmer noch davor, und auf diese Weise hatte sie alles im Blick, und er musste sich nicht überrumpelt fühlen. Er wusste, dass er sie jetzt hereinbitten musste, wenn er wollte, dass sie sich zu ihm setzte, und er wusste auch, dass sie nicht immer darauf einging. Manchmal drehte sie sich einfach um und verschwand wieder den Flur entlang.
»Schön, Sie zu sehen«, sagte er. »Wie geht es Ihnen?«
»Danke, gut«, antwortete sie, und das musste als Kommentar genügen, es interessierte ihn sonst ja auch nicht besonders, was sie so getrieben hatte. »Sie sehen gut erholt aus«, fuhr sie deshalb fort. »Wo waren Sie?«
»Danke, ja. Ich habe eine sehr interessante Woche in Bohuslän verbracht. Habe einen Aquarellkursus an einem unglaublich schönen Ort gemacht, in Gerlesborg, nördlich von Uddevalla. Eine wunderbare Naturlandschaft, teilweise sind wir schon um acht Uhr aufgestanden und rausgegangen …«
Gun nickte und schaute interessiert drein, während er von den Farben, Kompositionen, Kursteilnehmern und dem guten Essen – vorzugsweise Fisch – schwärmte, von der Luft und dem Licht in Bohuslän, ganz anders als hier, viel mystischer, dramatischer und teilweise durchsichtiger. Ja, er kam richtig in Fahrt, während sie überlegte, wie sie ihm taktisch geschickt beibringen sollte, dass er am Vormittag noch zwei zusätzliche Patienten hatte. Der eine hatte angerufen und war sehr hartnäckig gewesen, fast wütend und aufgebracht, und der andere war ein armer Kerl, sehr krank und einsam, für den ihr Herz blutete, und Björks auch, das wusste sie. Ob das Grund genug war, ihn ausgerechnet heute noch dazwischenzuquetschen? Sie würde es auf jeden Fall versuchen.
Er schwieg und saß entspannt zurückgelehnt auf dem Schreibtischstuhl, die Hände im Nacken verschränkt, das blondgraue Haar kringelte sich an den Schläfen, die Halbglatze glänzte braun gebrannt, und sein Blick verriet, dass Doktor Björk nicht in der Praxis war, sondern wieder in Bohuslän.
»Ja, ja, kein Glück währt ewig«, warf Gun energisch ein. »Es ist nämlich so«, und sie räusperte sich erneut und legte eine besondere Honigsüße in ihre Stimme, »dass ich da zwei Patienten habe, die unbedingt heute noch einen Termin haben möchten, aber …«
»… wir haben keine mehr frei«, ergänzte Björk.
»Ja, genau. Der eine hier«, fuhr sie fort und hielt ihm die Akte hin, »dessen Angehörige haben bereits während Ihres Urlaubs auf einen Termin gedrängt, und dann ist da noch Jönsson, dem geht es immer schlechter, dem Armen …«
Er schaute stumm auf die Mappen, die sie ihm hinreichte.
»Das sind ja eigentlich nur Kleinigkeiten, das geht sicher ziemlich schnell«, meinte sie dann.
Doktor Björk versuchte sich wie Herkules am Scheideweg zu entscheiden, was er nun tun sollte: den patientenfreundlichen, großzügigen breiten Weg gehen, auf dem er alle annahm, sich engagierte, Überstunden machte und sehr, sehr müde wurde, oder den egoistischeren und vielleicht auf lange Sicht sogar patientenfreundlicheren, da er länger durchhalten würde, das heißt, sich nicht vorzeitig pensionieren lassen musste, was er trotz allem bereits in Erwägung gezogen hatte? Ganz konkret nach der herrlichen Woche in Bohuslän – das Leben hatte doch viel, viel mehr zu bieten als nur Arbeit.
»Das sieht aus wie Kleinigkeiten, aber Sie wissen, wie das ist«, erwiderte er und schaute Gun bittend an, als könnte sie ihm die Verantwortung abnehmen und eine Entscheidung treffen. »Meistens kommt noch alles Mögliche hinzu, wenn die Patienten erst einmal hier sind«, sagte er und überlegte, ob er in
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