Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
überall sonst.«
»Nichts Spezielles, was Sie uns erzählen können?«
Meisser schüttelte erneut den Kopf. »Nein, was sollte das denn sein?«
»Anfang des Jahres starb ein Arzt namens Johan Söderlund. Sie kannten ihn doch sicher?«
»Nun ja, kennen ist vielleicht zu viel gesagt, aber gut, ja, ich kannte ihn«, sagte er, und seine Stimme wurde etwas gequält. »Er hat sich totgefahren, oder besser gesagt, er wurde totgefahren«, korrigierte er sich selbst.
»In welcher Weise hat das die Klinik betroffen?«
»Überhaupt nicht, würde ich mal sagen. Es ist ja schon mehrere Jahre her, seit er bei uns aufgehört hat.«
»Dann hat Sie das nicht besonders berührt?«, fuhr Lundin fort.
»Nein. Warum?«
»Schließlich war es einer Ihrer jetzt mit Ihnen arbeitenden Kollegen, der ihn angefahren hat, deshalb kann ich mir vorstellen, dass es Anlässe gab, darüber zu reden.«
»Die ganze Sache war natürlich unangenehm, aber eigentlich haben wir nicht viel darüber gesprochen. Das Leben geht weiter. Das lernt man in diesem Job. Das Leben bekommen wir nur geliehen«, sagte er und fuhr sich dabei mit der Hand über Mund und Kinn.
»Warum hat Johan Söderlund im Krankenhaus aufgehört?«
»Mein Gott, was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Das war doch wohl seine Privatsache und hängt absolut nicht mit Lauras Tod zusammen.«
Janne Lundin schwieg und suchte eine neue Taktik bei diesem hartnäckigen Brocken. Das ist einer, der nichts preisgeben will, einer, der lieber schweigt, dachte er. Aber warum schweigt er?
»Dann haben Sie nichts zu berichten?«
»Nein, habe ich wohl nicht«, antwortete Meisser. »Ich möchte Ihnen nur sagen«, erklärte er und schaute dann die schweigende Erika an. »Ich möchte Ihnen beiden sagen, dass ich im Augenblick wie ein Schwein schulte, damit die ärztliche Versorgung im Krankenhaus klappt, besonders jetzt, wo Laura tot ist. Ich habe weder Zeit noch Kraft für andere Dinge.«
»Ja, das verstehe ich«, nickte Janne Lundin. »Ja«, wiederholte er und stand auf. »Dann haben wir wohl keine weiteren Fragen mehr.«
Ein paar Möwen schrien.
»Entschuldigung«, sagte Erika und öffnete damit zum ersten Mal den Mund. »Dürfte ich einmal bei Ihnen zur Toilette, bevor wir wieder fahren?«
»Natürlich«, antwortete Meisser eine Spur widerstrebend und öffnete die einen Spalt offene Terrassentür ganz, damit Erika hineinschlüpfen konnte.
Lundin stellte sich mit dem Rücken zum Haus und schaute schweigend über das Meer. Meisser sagte nichts.
»Was für ein Auto haben Sie?«, fragte Lundin.
»Einen Saab.«
»Ja, natürlich«, sagte Lundin und stellte sich dumm. »Ich habe ihn ja da stehen sehen. Einen schwarzen Saab. Ein anderes Auto haben Sie nicht?«
»Eins reicht völlig, vor allem, wenn man allein lebt«, erklärte Meisser.
»Darf man fragen, wie viele Kinder Sie haben?«
»Mein Gott, was denn noch alles? Aber gut, ich habe sechs. Drei mit jeder Frau. Das kostet!«, bemerkte er lakonisch.
»Kann ich mir denken«, erwiderte Lundin trocken.
Erika kam wieder auf die Terrasse, sie verabschiedeten sich. Meisser brachte sie zum Auto.
»Lassen Sie von sich hören, wenn Ihnen etwas einfällt«, sagte Lundin noch, bevor er die Wagentür zuzog.
Er fuhr rückwärts auf den schmalen Weg, schaltete hoch und fuhr auf die Stadt zu, die in einem matten, glühenden Sonnendunst zu vibrieren begann.
»Und?«, fragte Lundin Erika. »Wie war es drinnen?«
»Dunkel und schmutzig. Geradezu verdreckt. Und viele leere Weinflaschen auf der Küchenanrichte. Wenn du das wissen wolltest.«
»Ja, genau«, sagte er, streckte den Daumen in die Luft und lächelte Erika zu. »Gut gemacht!«
»Und der soll Arzt sein«, meinte sie zweifelnd.
»Er wird sich bei seiner Arbeit sicher zusammenreißen. Alkoholiker gibt es überall, und wenn sie irgendetwas können, dann auf jeden Fall ihr Elend verstecken.«
»Der versteckt mehr als sein Elend«, sagte sie.
»Ja, das stimmt.«
Sie trennten sich auf dem Polizeiparkplatz.
»Jetzt gehe ich nach Hause und hole meine Schwimmsachen«, sagte Erika.
»Mach das«, nickte Janne Lundin und konnte nicht umhin – obwohl er wusste, dass das nicht erlaubt war –, sich in seiner Fantasie ihren schlanken Körper im Badeanzug am Ende des Sprungbretts vorzustellen, wie sie die Knie beugte und dann den Körper spannte, in einem weichen Bogen eintauchte, die Wasseroberfläche zuerst mit dem Kopf und schließlich mit den langen schlanken Beinen zerteilte.
Peter
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