Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
dachte, dass das Liebe auf den ersten Blick sein musste. Der Angstklumpen verschwand, aber eine andere Unruhe blieb.
»Wie geht es Veronika?« Er schaute ängstlich zum Operationssaal.
»Es geht ihr gut«, sagte die Hebamme. »Sie muss nur noch genäht werden, dann werden sie sie aus der Narkose aufwecken.«
Die Erleichterung war groß.
»Was ist es?«, fragte jemand.
Ja, was war es? Ein Mädchen, wie er jetzt sah. Sie hatten ein Mädchen bekommen. Er hatte eine Tochter bekommen. Erneut kamen die Tränen.
Die Hebamme wickelte seine Tochter in ein Handtuch, nahm sie hoch und legte sie ihm in den Arm. »Da ist sie. Ich gratuliere zu einem hübschen kleinen Mädchen«, sagte sie, die Yvonne hieß und die ihm jetzt noch schöner erschien.
Er schaute in das Gesicht seiner Tochter und dachte: Dich lasse ich nie wieder los.
KAPITEL 11
Das Umzugsunternehmen würde fast alles packen, aber erst musste sie sortieren. Die Aufgabe fiel ihr schwer, sie schob sie vor sich hin. Viele Erinnerungen würden unweigerlich wach werden, und sie überlegte, ob sie nicht lieber jemanden um Hilfe bitten sollte, aber ihr fiel niemand ein. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, wie das ablaufen sollte. Im eigenen Heim herumzuwühlen konnte sie trotz allem immer noch am besten allein.
Als sie schließlich die Wohnung in Angriff nahm, die dunklen Schrankecken und Fensternischen, kam es ihr so vor, als würde sie ein mentales Reinigungsbad nehmen. Die Musik lief auf voller Lautstärke – sollten die Nachbarn doch denken, was sie wollten, sie würde ja sowieso ausziehen. Die Rhythmen erfüllten ihren Kopf, verdrängten die traurigen Gedanken, trieben sie an, und sie begann zu sortieren, zuerst ein wenig zögerlich, aber mit der Zeit immer bestimmter und mit mehr Energie, und sie begann wegzuwerfen, sie sortierte und warf fort, bis ihr der Körper wehtat. Sie spürte, wie ungewohnt für sie doch körperliche Arbeit war, und es war überraschend angenehm, die Sehnen und Muskeln zu spüren, dieses Gefühl, warm und müde von der Anstrengung zu werden. Sie sortierte weiter Johans Kleidung, seine Bücher, Aktenordner, aber seine Notizbücher ließ sie unberührt liegen. Sie trennte sich von hässlichem Geschirr, zu kleinen Kleidungsstücken, alten Lockenwicklern, die sie seit zehn Jahren nicht mehr benutzt hatte, Flacons mit zu süßem Parfüm, einer abgetretenen Badezimmermatte, hässlichen Kissen, die Johans Mutter gestickt hatte, und vielem, vielem mehr. Energisch ging sie ans Werk, so dass sie richtig ins Schwitzen kam.
Spät am Nachmittag ließ sie sich in dem Durcheinander in der Küche mit einer Schüssel Sauermilch und ein paar alten Zeitschriften nieder, die sie bereits aussortiert und zum Altpapier gelegt hatte. Sie blätterte unkonzentriert darin herum, übersprang die Bilder schöner Mannequins, verzweifelt trendy möblierter Wohnungen und leckerer Festtafeln, überschlug Interviews mit Berühmtheiten und Buchtipps, kam schließlich zu den Spalten mit Wirtschaft, Partnerproblemen und dann zu den Ratschlägen des Doktors. Ein kleines Bild, ein Farbfoto und die Überschrift »Krankheiten der Schilddrüse« nagelten sie fest. Das Foto war gut, Doktor Laura Ehrenswärds Gesicht ragte Vertrauen erweckend und selbstbewusst aus dem weißen Kittelkragen hervor.
Eifrig las Lena die Ärztespalte, obwohl das Thema sie eigentlich gar nicht betraf. Soweit sie wusste, war sie vollkommen gesund, aber der Text und das Bild stachelten sie an. Sie wollte sehen, wie Lauras Worte klangen, wollte wissen, wie ein Tyrann schrieb, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken. Worte und Sätze folgten einander in korrekter Ordnung in einem unpersönlichen, fast formalen Ton. Und das erregte sie noch mehr. Diese alte Hexe! Status und Macht und ein korrektes, beherrschtes Äußeres. Und ein zerrüttetes Inneres.
Viele Menschen, in erster Linie Frauen, hatten Probleme mit der Schilddrüse, wie sie erfuhr. Zu hohe Werte an Schilddrüsenhormonen verursachten in erster Linie Symptome wie Herzklopfen, und nach einer Weile eine rastlose Energie, die der Patient nicht zu nutzen verstand, viele hatten Probleme, überhaupt zur Ruhe zu kommen, sie schliefen schlecht und waren deshalb stets müde. Dieser Zustand konnte auf unterschiedliche Art mit gutem Resultat behandelt werden. Bei zu niedrigen Hormonwerten galten die entgegengesetzten Symptome. Die Patientin klagte über Müdigkeit und mangelnde Energie. Diesem Zustand war leicht durch Gabe des Hormons
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