Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Personal, das wie verschreckte Trolle über die Flure huschte. Einige Frauen hatten noch alles vor sich, die Sorge, aber auch die Hoffnung. Andere lebten mit ihren Erlebnissen so intensiv in sich, dass sie für die anderen gar nicht ansprechbar waren. Die Station war das Reich der Gegensätze und gleichzeitig eine in sich geschlossene Welt – mit Windeln, leckenden Brüsten, Ausfluss, Kinderweinen, Unruhe, Glück und Trauer – eine Welt für die Allernächsten, Mutter, Vater, Geschwister und andere. Sie konnte sich durchaus vorstellen, noch ein paar Tage hier zu bleiben.
Es gab wohlriechenden Fischpudding. Sie nahm ein Tablett, schaute über die Tische und fand ein Gesicht, das sie wiedererkannte, die dunkelhaarige Frau, die sie schon in der Mutterfürsorge getroffen hatte. Hieß sie nicht Sara? Die Dunkle nickte ihr zu. Sie saß allein, Veronika ging zu ihr.
»Hallo, du hier?«, fragte Veronika, während sie ihr Tablett hinstellte und gleichzeitig versuchte, ganz unauffällig hinter den Tisch zu gucken, um zu sehen, ob die Frau noch ihren Bauch hatte, sie wusste ja, dass sie auch bald gebären sollte.
»Du auch, wie ich sehe«, antwortete die Dunkle.
»Du heißt doch Sara, oder? Ich vergesse Namen so schnell«, entschuldigte sich Veronika, und Sara nickte. »Ich heiße Veronika«, fügte sie hinzu.
Sara schob sich Fischpudding auf die Gabel, während sie mit ihren vorsichtigen kleinen Augen über Veronikas immer noch beeindruckenden Bauch huschte, und Veronika verstand, dass Sara fürchtete, etwas Falsches zu sagen.
»Ich habe eine Tochter gekriegt, auch wenn man es noch nicht sieht«, sagte Veronika lachend und legte eine Hand auf den immer noch ziemlich umfangreichen Bauch. »Sie ist vor zwei Tagen mit Kaiserschnitt geholt worden. Es geht ihr gut«, erzählte sie.
»Ich habe einen Sohn«, sagte Sara, und Veronika hörte die Sanftheit und den Stolz aus diesem Satz.
»Herzlichen Glückwunsch! Von ganzem Herzen! Und wann?«
»Gestern. Auch mit Kaiserschnitt. Es geht ihm gut, er ist in der Kinderklinik. Er ist nicht genug gewachsen, deshalb haben sie ihn früher geholt, aber sonst fehlt ihm nichts. Der Mutterkuchen hat nicht richtig funktioniert«, berichtete sie und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Aber jetzt wird er sich groß essen und wie alle anderen Kinder werden. Nur dass er noch eine Weile im Krankenhaus bleiben muss – aber das macht nichts, Hauptsache, es wird alles gut. Er hat kaum mehr als ein Kilo gewogen. Dabei hätte er fast zwei wiegen müssen«, fuhr sie fort, und Veronika sah, dass die Ängste sie verlassen hatten. »Er ist wahnsinnig süß«, erklärte Sara und sah glücklich aus.
»Dann können du und der Papa ja jetzt aufatmen«, sagte Veronika. »Jetzt, wo die Sorge vorbei ist und alles so gut gelaufen ist.«
»Ich weiß nicht, ob der Papa sich dafür interessiert«, sagte Sara und schaute auf ihren Teller.
»Nein?«
»Er wollte ihn nicht haben. Er wollte, dass ich ihn abtreibe. Wir sind nicht mehr zusammen.«
Schweigen. Veronika wusste, dass sie kein schlechtes Gewissen haben musste, nur weil sie nicht allein war, dieses Mal nicht, aber trotzdem überfiel es sie. Das Leben ist ungerecht.
»Er wird dir sicher trotzdem helfen«, sagte sie tröstend und fühlte doch, wie schwer es für Sara werden würde.
Sie wusste, was es bedeutete, allein mit einem Kind zu sein, es war eine große Freude, aber auch vieles sonst: schlaflose Nächte, Unruhe, Arbeit und Angebundenheit.
»Das macht nichts«, wehrte Sara ab. »Ich schaffe das schon.«
»Wie soll er denn heißen? Weißt du das schon?«
»Das habe ich die ganze Zeit gewusst. Wenn es ein Junge werden würde, dann sollte er Johan heißen.«
»Johan, das ist ein schöner Name.«
Sara schaute zur Tür, in der eine schicke Frau im Krankenhauskittel stand und ihr freundlich zuwinkte.
»Da will wohl jemand etwas von dir«, sagte Veronika.
»Ja, das ist Johans Oma. Wir wollen zu ihm in die Kinderklinik gehen.«
»Wie schön«, sagte Veronika, während Sara aufstand und ihr Tablett nahm. »Na dann, bis bald!«
Johans Großmutter sah nett aus. Ja, wirklich nett, dachte Veronika, und das war ja nur gut so, in Anbetracht der Umstände.
Pauken und Trompeten hatten in Claes Claesson noch ihren Widerhall, als er nach dem glücklichen Ereignis spät in der Nacht nach Hause gekommen war. Das Größte, was ihn jemals erfüllt hatte, es wuchs und wuchs in ihm, und er fühlte den Drang, es mit einem anderen Menschen zu teilen.
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