Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Bibliothek, die in der Sonnenhitze wie ein Koloss aus roten Ziegeln dalag. Schräg gegenüber gab es einen Parkplatz, doch heute war er fast leer, und hinter dem Parkplatz erstreckte sich der Stadtpark. Die hohen Bäume standen still, das Laub glänzte im Sonnenlicht. Neben dem Parkplatz hatte Kirre seinen Kiosk, und jetzt, bei dem heißen Wetter, hatte er ein paar weiße Plastikstühle und -tische herausgestellt. Eine andere Mutter mit Kleinkind hatte sich dort mit einem Eis niedergelassen. Sie wippte den Wagen mit der einen Hand, es war leises Kindergeschrei zu hören, und Sara fiel auf, dass sie jetzt, wo sie selbst Mutter geworden war, überall Mütter mit Kleinkindern sah. Die Mutter, die dort saß, das war diese alte Mutter, die Ärztin, die ihr zweites Kind mit fast fünfundvierzig bekommen hatte. Wenn sie nichts vorgehabt hätte, wäre sie über die Straße gegangen und hätte sich zu ihr gesetzt, sie war nett, und Sara hätte ihr zeigen können, dass Johan gewachsen und ein richtiges Baby geworden war. Wenn man sich vorstellte, dass sie sich getraut hatte, noch in dem Alter ein Kind zu bekommen. Es war ein Mädchen geworden, ein großes Mädchen, das im Vergleich zu Johan riesig aussah, und dieses arme Mädchen würde eine Mutter haben, die über fünfzig war, wenn sie in der Schule anfing, wie eine Großmutter. Das ist bei Johan kein Problem, dachte sie zufrieden. Johan wird eine junge Mutter haben, aber der Gedanke war ihr fast peinlich, denn die alte Mutter erschien so ruhig und sicher, und sie war so nett zu ihr gewesen, freundlich auf eine vollkommen natürliche Art und Weise. Sicher hatte ihre große Tochter es gut, alles war gewiss für sie geregelt und in Ordnung, auch wenn die Eltern nun einmal uralt waren. Die alte Mutter und die dicke Tochter hatten zumindest nicht das Problem mit einem Vater, den es nicht so recht gab.
Zur Bibliothek hinein gab es keine Treppenstufen, sie konnte mit dem Kinderwagen direkt zum Tresen fahren. Hier drinnen war es kühler. Sie holte die Bücher hervor, deren Ausleihzeit bald abgelaufen war und legte sie auf den Tresen unter das Schild Rückgabe. Ein großer, dünner Bibliothekar, der etwas blass und kraftlos aussah, kam zu ihr, und sie nickten einander wortlos zu. Lena hatte gesagt, dass er lieb war, und er schaute ihr etwas scheu in die Augen.
»Ja, die sind rechtzeitig abgegeben«, sagte er und zupfte sich an seinem Spitzbart. »Möchten Sie neue ausleihen?«
»Nein, ich denke nicht. Ich habe zu Hause noch einen Stapel, den ich nicht gelesen habe«, antwortete sie und merkte, dass sie etwas peinlich berührt war, weil er seinen Platz nicht verließ, sondern einfach stehen blieb.
Sie hängte die Tüte zurück an den Wagen, verabschiedete sich und ging wieder hinaus in den Sonnenschein.
Gut, dass Lena ihr Tipps für Bücher geben konnte. Saras halbes Leben bestand inzwischen aus Büchern, die Hälfte, die nicht von Johan mit Beschlag belegt wurde. Er brauchte übrigens inzwischen mehr Zeit, hatte angefangen, nachts zu schreien. Den größten Teil ihrer Zeit brauchte sie, um sich um ihn zu kümmern, ihn zu füttern, die Windeln zu wechseln und ihn zu trösten. Und wenn er schlief, dann beeilte sie sich, schnell in die Waschküche zu kommen, in der Küche aufzuräumen, zu duschen und sich die Haare zu waschen. Die Tage liefen einfach dahin, und sie dachte nicht weiter darüber nach, auch nicht darüber, dass sie immer isolierter lebte, darüber, dass sie nirgends mehr hinkam. Sie hatte die Bücher als Reserve und als eine Art Trost, sie konnte in ihnen verschwinden, eine Weile mit den Menschen verbringen, die sich liebten, auch wenn sie Probleme hatten, verrückt waren und versuchten einander auszulöschen, sich erschossen, erstachen und erschlugen, tranken und hereingelegt wurden und Macht und Geld haben wollten. Sie wurde von der Handlung gepackt und begann zu träumen, spürte die Anspannung im Körper, und es war, als würde sie mit ihnen leben, viel mehr brauchte sie nicht. Jedenfalls im Augenblick nicht, da es ja Johan gab.
Es war etwas umständlich, dass es in Lenas neuem Haus keinen Fahrstuhl gab. Sara löste den Kinderwageneinsatz, schleppte ihn in den zweiten Stock hoch, stellte ihn vor Lenas Tür, ging noch einmal nach unten und holte den Beutel, in dem die Schlüssel lagen. Das Treppenhaus war hellblau und roch frisch und sauber. Sara hatte eigene Schlüssel bekommen, damit sie nach Lenas Wohnung schauen konnte, solange die fort war. Sie wollte nur
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