Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Toilettenpapier ab, wischte ihm damit das Kinn ab, trat auf das Pedal des Mülleimers neben sich, so dass der Deckel sich öffnete. Als sie das Papier hineinwarf, sah sie eine Tablettenschachtel da drinnen. Lena nahm doch wohl keine Medikamente! Sie holte die Schachtel heraus. Es handelte sich um Levaxin, verschrieben für Iris Grahn, Lenas Mutter und Saras Stiefmutter. Na, so was! Dann hatte Lena sie vielleicht zu sich eingeladen, ihr die zwei Stockwerke hoch geholfen. Aber warum hatte sie ihr das nie erzählt?
Als sie den Kinderwagen nach Hause schob, beeilte sie sich. Rigmor wollte anrufen, und dann musste sie daheim sein, sonst würde Rigmor sich Sorgen machen. Rigmor wollte ihr ein Handy kaufen, aber sie würde so ein teures Geschenk nicht annehmen. Sie könnte die Telefonrechnungen doch nicht bezahlen, und außerdem stünde sie dann in Rigmors Schuld.
Irgendwie hatte sie sich inzwischen an Rigmor und ihre regelmäßigen Anrufe gewöhnt. Sie war nett. Vielleicht zu nett, sie kritisierte Sara nie, fragte nur und kam manchmal mit verschiedenen Vorschlägen an, die immer gut gemeint waren, auch wenn Sara darauf nie selbst gekommen wäre. Sie wollte es Rigmor recht machen, weil es anstrengend war, immer zu widersprechen, immer Nein zu sagen. Gleichzeitig folgte sie den Ratschlägen nur halbherzig, aber es sah nicht so aus, als würde Rigmor das merken. Sie wollte ja nur das Beste, und außerdem hatte sie drei Kinder großgezogen, das hatte sie schon häufiger gesagt, und vielleicht war es ihr peinlicher, als sie zeigte, dass Patrik sich fern hielt. Aber das machte nichts. Das machte überhaupt nichts. Sie wollte Patrik gar nicht, sie wollte sich allein um ihr Baby kümmern, es war ihr Junge, und das mit Patrik war nicht mehr so wichtig. Der Junge sollte auf dem Papier einen Vater haben, vermutlich war das sogar vorgeschrieben, aber ansonsten konnte es ihr gleich sein.
Und Rigmor war in letzter Zeit auch ruhiger geworden, es genügte ihr, Johan auf den Arm zu nehmen, auf ihn aufzupassen, wenn Sara kurz etwas zu erledigen hatte. Anders als während Saras Praktikum in der Klinik. Damals hatte Rigmor bestimmt, und Sara hatte ihre Augen gespürt, die kontrollierten, ob sie auch die Anforderungen der Schule und der Ausbildungsordnung erfüllte, und Sara tat, was sie konnte, um nicht aufzufallen. Es hatte ihr noch nie behagt aufzufallen, egal ob sie jemand lobte oder kritisierte. Doch, Zurechtweisungen waren schlimmer. Zurechtweisungen waren das Allerschlimmste. Jetzt war es jedenfalls so, dass sie, Sara, Johans Mutter war, und sie kam an erster Stelle. Rigmor konnte diesen Platz nicht einnehmen, wie gern sie es auch getan hätte.
Es ist doch schön zu sehen, dass Lena wieder langsam die Alte wird, dass ihr ihre neue Wohnung gefällt, sie sich darin wohl fühlt und dass sie angefangen hat, zu verreisen und ganz normal zu leben, dachte Sara, während sie den Kinderwagen schob. Johan schlief.
Es war etwas kühler und windiger geworden, und die Baumkronen im Stadtpark bewegten sich. Sara hatte Johan eine Decke übergelegt. Die Hitze würde nicht anhalten, das war zu spüren.
Sie wohnten jetzt näher beieinander, Lena und sie, nur eine Viertelstunde entfernt, fast um die Ecke, und sie kauften im gleichen Supermarkt ein. Die Stadt war nicht groß, man kannte sich untereinander, und das war einerseits gut, andererseits schlecht, wie sie überlegte, während sie durch die automatischen Schiebetüren in den Laden trat. Lena hatte gesagt, sie wolle ein neues Leben beginnen, die Frage war nur, ob sich das überhaupt machen ließ. Die Leute redeten, auch wenn Sara eigentlich nie auf das Gerede achtete. Aber manchmal schnappte sie trotz allem etwas auf. Johan Söderlund, dachte sie und blieb vor dem Regal mit den Windeln stehen. Warum hast du das getan, Johan Söderlund?
Sie schaute auf ihr schlafendes Kind, den kleinen Johan. Lena hatte sich schon über den Namen gefreut, vielleicht nicht ganz offen, etwas zögernd hatte sie dreingeschaut, und Sara hatte gefühlt, wie die Enttäuschung in ihr wuchs. Sie war dumm und egoistisch gewesen, dass sie nicht selbst daran gedacht hatte, Lena zu fragen, was sie denn davon halte. Aber schließlich war es nicht Lenas Kind, und Sara hatte das Recht, allein zu entscheiden. Lena bekam keine Kinder, jedenfalls nicht mehr mit Johan. Sie hatte sich auf Saras Kind gefreut, daran hatte nie ein Zweifel geherrscht. Sara hatte den Namen als ein Geschenk für Lena ausgesucht, nicht als einen Ersatz,
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