Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
hat sie selbst so gewünscht. Sie traute sich wohl nicht, noch länger der Arbeit fern zu bleiben. Wissen Sie«, sagte sie und machte eine Pause, beugte sich vor und schaute ihm vertraulich direkt in die Augen, als wenn er ein Patient wäre. »Wissen Sie, Laura war eine äußerst kompetente und urteilsfähige Person, die nichts dem Zufall überließ«, erklärte sie und richtete sich von neuem auf. »Sie sollte ja am Abend vorher aus Island zurückkommen und wollte wohl sehen, ob auch alles hier im Krankenhaus seinen Gang nahm, es ist weiß Gott nicht einfach, so einen Kahn wie diesen hier zu lenken. Sie war ja dann schon so lange …«
»Ja, wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«, unterbrach Claesson sie.
»Exakt am Freitag, bevor sie in Urlaub ging«, erklärte sie und blätterte in dem Kalender, der auf dem Schreibtisch aufgeschlagen lag. »Sie sollte zwei und eine halbe Woche weg bleiben. Einen Teil ihres Urlaubs wollte sie sich noch für den Herbst aufheben«, berichtete sie. »Wollte die Söhne im Ausland besuchen, und dann hatte sie ja noch ihr Ferienhaus in Torekov. Da konnte sie ja am Wochenende hinfahren und so den Sommer noch etwas verlängern.«
Genau, dachte Claesson. Nach Torekov wollte Technik-Benny fahren, falls er nicht andere Techniker dorthin schickte, die auch mit dem Fall beschäftigt waren. Mal sehen, vielleicht gab es dort ja Hinweise. Die Polizei von Båstad sollte ihnen den Weg zeigen, und die Kriminalbeamten aus Helsingborg waren unterrichtet, falls Hilfe notwendig sein würde, ansonsten war es nicht immer von Vorteil, zu viele Köche zu haben.
»Inzwischen wissen wir, dass Laura Ehrenswärd ermordet wurde, bevor sie in Urlaub fuhr. Wir wissen noch nicht den genauen Zeitpunkt, aber wahrscheinlich am Freitag, irgendwann nach der Arbeit, die Alternative wäre die Nacht zum Samstag. Auf jeden Fall vor zehn Uhr morgens, da ging ihr Zug nach Stockholm zum Flughafen. Eine Frage, die ich Ihnen leider auch stellen muss: Was haben Sie in diesem Zeitraum getan?«
»Das kann ich Ihnen ganz genau sagen«, erklärte sie, ohne beleidigt zu sein. »Nach der Arbeit habe ich mein kleines Enkelkind besucht …«
Der Blick schweifte ab, für eine Sekunde war sie abwesend. »Nun, das Baby, von dem ich dachte, es wäre mein Enkelkind, biologisch gesehen, meine ich, aber das spielt ja keine große Rolle«, fuhr sie fort. »Anschließend hatten wir Besuch von guten Freunden. Rolf, mein Mann, und ich, ein Sommerfest im Garten. Ja, wir waren nicht so viele, zwei Paare und wir. Wir haben gegrillt und Erdbeeren gegessen, Sie kennen das«, sagte sie, und er nickte. »Es gibt nicht so viele Abende, an denen man meint, am Mittelmeer zu sein, nicht wahr, die muss man nutzen.«
Warum immer dieser Vergleich mit fremden Ländern?, dachte Claesson für sich. Ist Schweden denn nicht gut genug?
»Entschuldigen Sie, vielleicht gehört das gar nicht hierher, aber was haben Sie gesagt, wen haben Sie besucht?«
»Nein, das gehört wirklich nicht hierher. Das ist eine ganz andere Geschichte. Das Leben ist nicht so einfach, das braucht man gar nicht zu denken. Ich habe eine junge Frau besucht, sie hat übrigens mal hier als Schwesternhelferin gearbeitet, ein schüchternes, liebes Mädchen … eine liebe Frau, meine ich … und die hat ein Kind geboren, von dem sie gesagt hat, es sei mein Enkelkind. Doch das stimmt gar nicht. Diese modernen Tests haben 99,99 Prozent Sicherheit, und mein Sohn ist gar nicht der Vater. Aber das hat für mich keine Bedeutung. Der Kleine ist trotzdem mein Enkel. In gewisser Weise …«
Sie hatte den Faden verloren, wie sie selbst merkte, aber offensichtlich beschäftigte sie die Angelegenheit sehr, und kam deshalb sofort zur Sprache, sobald sich jemand die Zeit nahm, ihr zuzuhören. Claesson hatte dieses Phänomen schon früher erlebt. Manchmal war es leichter, die Leute zum Reden zu bringen, als sie zum Aufhören zu bewegen. Ein Enkelkind, das dann doch keines war – da war wohl ein Psychologe gefragt, also schob er diesen Teil des Gesprächs schnell beiseite.
»Wir haben natürlich viele Fragen zu dem Fall. Ist Ihnen denn …«, sagte er stattdessen und nahm seine Brille ab, die er in letzter Zeit immer häufiger tragen musste. »Ist Ihnen denn«, wiederholte er, »irgendetwas Besonderes aufgefallen, etwas, wovon Sie glauben, dass wir es vielleicht wissen sollten?«
Sie schaute auf ihre Hände, verwob die Finger, spitzte den Mund, schlug die Daumen gegeneinander, ließ die Sekunden
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