Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
und hoffte, dass der Fahrer aufgeben und weiterfahren würde, wenn sie kein Interesse an den Tag legte. Sie hielt die Nase ganz hoch und ging schneller, das Motorengeräusch verfolgte sie aber weiterhin. Sie hatte ihr Fahrrad vor dem Krankenhaus stehen lassen, weil es ihr zu anstrengend gewesen wäre, es durch den Pulverschnee zu schieben. Sie bildete sich ein, dass sie Daniel ohne Mühe dazu überreden konnte, sie am nächsten Morgen früh zur Arbeit zu fahren. Er hatte sicher ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil er sie nicht abgeholt hatte.
Das Auto folgte ihr immer noch. Es war schwarz und groß.
Was zum Teufel wollte der Fahrer?
Sie versuchte, gleichgültig zu wirken, schritt weit aus, und ihre Umhängetasche schlug ihr gegen die Hüfte. Dann packte sie jedoch die Angst, und sie begann zu rennen. Das Auto beschleunigte ebenfalls. Sie warf einen raschen Blick zur Seite. Sie kannte niemanden, der so ein Auto besaß. Sie brauchte nicht einmal sonderlich lange nachzudenken. Aber wieso folgte ihr der Wagen?
Da glitt die Seitenscheibe nach unten.
»Willst du nicht mitfahren?«, ließ sich eine Stimme vernehmen, die sie nur zu gut kannte. Es war Jörn.
»Nein«, sagte sie ganz außer Atem. »Ich habe es nicht so weit. Ich gehe gerne zu Fuß.«
Sie hatte den Verdacht, dass er sie den ganzen Weg vom Krankenhaus verfolgt hatte. Vermutlich hatte er im Auto auf dem Parkplatz auf sie gewartet. Aber dort waren Leute gewesen, die sie hätten sehen können, er hatte also gewartet, bis sie alle Krankenhauszufahrten passiert und bis hierher in die Södra Fabriksgatan gekommen war.
Es herrschte kaum Verkehr, und im Augenblick war überhaupt kein Fahrzeug in Sicht. Sie schlitterte die Straße entlang. Der Fahrradweg weiter innen war unter den Schneemassen verschwunden, die der Schneepflug aufgetürmt hatte. Das orangefarbene Licht der Straßenlaternen funkelte auf der geräumten Straße. Der Schneepflug war vermutlich eben erst durchgekommen und sie hoffte, dass er wieder auftauchen würde. Sie wollte einfach in den Schnee abbiegen, damit Jörn ihr nicht so auf der Pelle klebte, aber aus irgendeinem Grund hatte sie Angst, ihn zu provozieren.
Es war fast halb elf. Vermutlich sind jetzt alle zu Hause und sehen fern, kochen Karamell oder heiße Schokolade, dachte sie niedergeschlagen. Der Atem stand wie eine Wolke vor dem Mund. Sie hatte immer noch kalte Füße. Es war der 20. Dezember, und das wichtigste Weihnachtsgeschenk hatte sie immer noch nicht gekauft. Sie konnte sich nicht entscheiden, schließlich musste sie das Richtige finden.
Der Wald zu ihrer Linken schluckte das Geräusch des neben ihr schnurrenden Motors. Zwischen den schneebeschwerten Ästen konnte sie hinter dem Wäldchen die erleuchteten Fenster der Mietshäuser ausmachen, sie lagen gar nicht weit weg. Dort wohnte Daniel. Sie musste nur noch ein kleines Stück gehen und konnte in den Idrottsvägen einbiegen. Dann hatte sie es fast geschafft. Sie meinte schon zu spüren, wie sie sich in seine Arme fallen ließ.
Der Wagen beschleunigte plötzlich und fuhr an ihr vorbei. Sie war erleichtert.
Aber Jörn hielt an und sprang aus dem Wagen.
Verdammt!
»Komm doch mit«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf das Auto. Breitbeinig baute er sich vor ihr auf.
Sie schüttelte den Kopf. Wollte nicht. Hatte Angst. Sie hatte so große Angst, dass sogar ihre Sehnsucht nach Daniel verschwand.
»Ich dachte, wir können reden.«
»Es gibt nichts, worüber wir reden müssten.«
»Ach?«
Es hatte aufgehört zu schneien. Trotzdem kniff Sara-Ida unter ihrer weißen Wollmütze die Augen zusammen. Sie hatte die Lippen zusammengepresst. In der Ferne hörte sie ein Auto. Sie wartete, bis es näher kam. Sie wollte auf die Straße laufen und darum bitten, mitgenommen zu werden. Der Saab wurde langsamer. Ein Mann ließ das Seitenfenster herunter und fragte Jörn, ob er Hilfe brauche. Brauche er nicht, erwiderte er so dünkelhaft, wie es seine Art war.
»Meine Freundin und ich haben ihn gerade wieder in Gang bekommen.« Er nickte in Richtung des Autos, das von einer Abgaswolke umgeben war. »Vielen Dank trotzdem«, ergänzte er, und der Mann fuhr weiter.
Es war vermutlich besser, so zu tun, als sei alles in Ordnung, und zu versuchen, ihn zu beruhigen. Etwas Psychologie schadet nie, dachte sie.
»Okay, aber dann musst du mich auch nach Hause fahren«, sagte sie.
Sie versuchte, so zum Auto zu gehen, als tue sie das freiwillig.
»Aber du wohnst doch gar nicht in dieser
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