Lust de LYX - Ergebener der Lust (German Edition)
musste Zoraida ihn zurückgerufen haben, genau wie er es befürchtet hatte.
Mehrere Wachleute schleiften ihn zu einem Pfahl in einiger Entfernung von dem Feuer, dann fesselten sie seine Hände über seinem Kopf. Er brüllte ihnen etwas zu und spie vor ihren Füßen aus, bevor die Wachen zurücktraten. Was sollte sie tun? In ihrer Verzweiflung dachte Claire an Kavin, die zusammen mit Mira und Tariq in der Menschenwelt zurückgeblieben war und vermutlich vor Angst fast verrückt wurde. An das Königreich Gannah, dessen Thron Nasir besteigen sollte. An ein ganzes Volk, das sie nicht kannte und das trotzdem untergehen würde, sollte ihr Plan misslingen.
Doch in dem Moment, als Ashur – die Hände auf dem Rücken gefesselt und nur mit einer schwarzen Hose bekleidet – von zwei Wachen aus dem Tunnel gezerrt wurde, verschwamm jeder klare Gedanke. Ihr Herz drohte zu bersten, als ihr Blick zu dem Aufbau hoch über dem Feuer zuckte: zu an einem Balken verlaufenden Kabel und der Plattform darunter, die offenbar hochgezogen – oder direkt in die Flammen gesenkt werden konnte.
Sie schluckte. Dies hier sollte keine feierliche Zeremonie werden. Es war ein Todesritual, eine Hinrichtung! Man sagte den Dschinn nach, dass sie aus rauchlosem Feuer geschmiedet waren. Sie wollten Ashur bei lebendigem Leib verbrennen, ihn in das zurückverwandeln, woraus er entstanden war!
Panik breitete sich wie ein Steppenbrand in ihr aus. Verzweifelt schaute Claire sich um, suchte fieberhaft nach einem Weg, das Undenkbare zu verhindern. Doch sie war auf sich gestellt, und dort unten hatten sich mindestens hundert Dschinn versammelt, vermutlich sogar mehr. Sie alle standen sicherlich unter Zoraidas Bann. Gegen eine einzige Zauberin könnte sie sich vielleicht behaupten, doch gegen eine ganze Armee hatte sie keine Chance.
Der Tunnel spuckte eine blutrote Woge wallender Gewänder aus. Entsetzt sah Claire auf die Frau, die nun auf Ashur zusteuerte, der am Fuße einer Treppe festgehalten wurde, die zu der mächtigen Konstruktion führte.
Zoraida!
Obwohl Claire ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass es die Zauberin war. Der zierliche Körper der Feindin verströmte pure Macht. Eine Macht, die immer noch stark genug schien, um Claire und alle hier Versammelten zu überwältigen, auch wenn Zoraida genauso geschwächt wirkte, wie Nasir vermutet hatte. Und etwas anderes zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ein mattes Licht …
Claire schnappte nach Luft und schlug eine Hand vor den Mund, um sich nicht durch einen Aufschrei zu verraten. Plötzlich ergab alles einen Sinn.
Zoraida blieb vor Ashur stehen und zischte etwas, das Claire nicht hören konnte. Dann strich sie ihm über eine Wange, doch er zuckte zurück und starrte die Zauberin hasserfüllt an. Obwohl Claire auch seine Erwiderung nicht verstehen konnte, erkannte sie daran, wie Zoraida sich versteifte, dass sie es auf seine Angst abgesehen hatte. Sie brauchte sie, um die eigenen Kräfte zu stärken. Aber Ashur schien sich nicht zu fürchten. Er wirkte unendlich zornig. Und entschlossen. Bereit, sich allem zu stellen – was immer nun auf ihn zukam.
Ehrfurcht und Bewunderung wuchsen in Claire, als sie Ashur von ihrem Versteck hinter dem Felsblock aus beobachtete. Nicht nur, weil er in diesen letzten Momenten seines Lebens eine unermessliche Charakterstärke zeigte, sondern auch, weil er – ein Dschinn! – sie etwas gelehrt hatte: dass es im Leben nicht darum ging, das pure Vergnügen zu suchen und jede Verlockung auszuprobieren. Die Hauptsache war, dass man die eine Sache fand, für die man alles opfern würde. Die eine Person, für die man genau so sein wollte, wie es einem vorherbestimmt war. Nicht einmal die Hohen Sieben vermochten Claire etwas in der Art zu vermitteln.
»Er gehört euch!« Zoraidas erzürnte Stimme dröhnte bis zu Claires Versteck. »Ich bin fertig mit diesem Dschinn.«
Die Wachen drängten Ashur die Stufen hinauf. Unfähig sich zu rühren, musste Claire hilflos zusehen, wie sie ihn auf die obere Plattform zerrten. Sie schnitten Ashurs Fesseln am Rücken durch, banden dann seine Handgelenke mit Ketten an den Balken über seinem Kopf und traten zurück. Der Bereich, auf dem Ashur nun allein stand, glitt an dem darüber entlangführenden Kabel von der Konstruktion weg, bis er direkt über den Flammen stand.
Der Sprechgesang wurde immer lauter. Nasir rief Ashur etwas zu, Trommeln wurden in einem stakkatoartigen Rhythmus geschlagen. Dann übertönte Zoraida, die vor
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