Lust und Gefahr
die das bewiesen.
Sie setzte sich auf die äußerste Kante des Sofas, schlang die Arme um sich und wiegte sich leicht vor und zurück … vor und zurück … Diese sinnlose Bewegung war seltsam beruhigend. Obwohl ihr kalt war und sie zitterte, versuchte sie, nachzudenken und einen Plan zu fassen. Es war dumm und verdammt naiv von ihr gewesen, Reid mit den belastenden Papieren zu konfrontieren – und zu erwarten, dass er das Geld zurückgab. Was für eine dumme, dumme Entscheidung!
Und ihn zu daten? Das war noch dümmer gewesen. Wieder einmal hatte sie zugelassen, dass ihre Wunschvorstellungen und die einschmeichelnden Worte eines Mannes ihren Menschenverstand untergruben. Sie war eine kluge, kompetente fünfunddreißigjährige Frau und eine der erfolgreichsten Werbedesignerinnen und Projektmanagerinnen in Seattle. Aber wenn es um Männer ging, verhielt sie sich wie eine Zwölfjährige, die auf der Suche nach ihrem Traumprinzen war.
Gott! Sie hatte sogar an das Wort Liebe gedacht. Doch das war in dem Moment vergessen gewesen, als er seine Finger in ihren Armen vergraben, sie geschüttelt und ihr noch Schlimmeres angedroht hatte.
Angewidert von ihrer eigenen Dummheit stand sie auf und lief in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Sie zwang sich, die Gedanken, die sich in ihrem Kopf überschlugen, wieder auf das Problem zu richten, das sie gerade hatte.
Sie straffte die Schultern. Vielleicht hatte sie sich nicht besonders klug verhalten, aber sie war ganz sicher kein Feigling. Und sie würde Reid, der Gelder von Del Design Inc. veruntreute, nicht einfach so davonkommen lassen.
Sosehr es ihr in den Fingern juckte, den kriminellen Widerling sofort der Polizei zu melden, konnte sie es doch nicht tun. Sie musste auf Pauls Rückkehr warten. Er war der Einzige, dem sie vertrauen konnte, und sie schuldete es ihm einfach. Allerdings war er noch mindestens eine Woche verreist. Möglicherweise sogar länger. Das bedeutete, dass sie Zeit brauchte …
Und das bedeutete, dass sie verschwinden musste. Sie musste noch heute Nacht verschwinden, und sie brauchte einen Platz, um sich zu verstecken. Einen sicheren Platz.
Glücklicherweise hatte Reid ihr die Geschichte abgenommen, dass die Unterlagen in ihrem Bankschließfach lagen – das verschaffte ihr wertvolle Zeit. Sie hörte auf, in ihrem Wohnzimmer hin und her zu laufen, und ging ins Schlafzimmer. Dort setzte sie sich auf ihr Bett und warf einen Blick auf den Radiowecker.
Verdammt! Es war schon fast Mitternacht.
Ihre Hand zitterte, als sie nach dem Telefonhörer griff. Zweimal vertippte sie sich beim Wählen der Nummer. Als sie schließlich richtig gewählt hatte, hob sie die Augen zum Himmel und betete leise: »Bitte, bitte – lass Hugh und nicht Veronica rangehen.« Die aktuelle Freundin eines Mannes war meist nicht so glücklich über nächtliche Anrufe seiner Ex.
Beim zweiten Klingeln nahm er ab. »Hugh, hier spricht Tommi. Ich muss mit dir reden.« Ihre Stimme zitterte, aber sie riss sich zusammen. »Nein, das nehme ich zurück. Ich brauche deine Hilfe. Können wir uns sehen?«
In dem Coffeeshop, der die ganze Nacht geöffnet hatte, saßen nur vereinzelt ein paar Gäste herum. Tommi nahm an einem der hinteren Tische Platz und hängte ihre Tasche über den Stuhl. Hugh Fleming, groß und heute noch besser aussehend als damals auf der Highschool, stellte zwei Tassen mit dampfendem Kaffee auf den Tisch und setzte sich ihr gegenüber auf den Stuhl. »Wo ist Veronica?«, fragte sie. Sie versuchte, Zeit zu schinden, weil sie keine Ahnung hatte, wie sie dieses heikle Gespräch beginnen sollte.
»Sie ist übers Wochenende weggefahren.«
»Weiß sie, dass du hier bist? Mit mir?«
»Nein. Sollte sie?« Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und grinste. »Willst du mich nach all den Jahren doch noch verführen?«
»Nein. Ich will etwas tun, was ich in den vergangenen Jahren viel zu oft getan habe: deine Freundschaft ausnutzen.«
»Verdammt!« Sein Lächeln wurde breiter.
»Du hattest deine Chance.«
»Stimmt nicht. Du warst sechzehn, ich war siebzehn. Und du hast nur mit mir herumgehangen, um an meinen Kumpel Jake heranzukommen.«
Sie lächelte schwach, doch das Lächeln verschwand sofort wieder. »Lustig. Ich weiß nicht einmal mehr, wie Jake mit Nachnamen hieß – aber deinen habe ich nie vergessen.« Tommi hatte Hugh tatsächlich benutzt, um Jake näherzukommen. Und zu wissen, dass sie längst nicht mehr der eingebildete, selbstsüchtige Teenager war, half nicht gegen
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