Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
auf
die Sprünge.
„Katharina?“ Büttners
Gesichtsausdruck war ein einziges Fragezeichen. Doch dann, wenn auch sehr
langsam, fiel bei ihm der Groschen. „Katharina!“ Nun strahlte auch er bis über
beide Backen. „Mensch, das ist ja ein Ding! Du hier! Mit dir hätte ich hier nun
wirklich nicht gerechnet! Was treibt dich denn nach Emden?“ Er warf einen Blick
auf Jonathan. „Jetzt weiß ich auch, warum mir der Name Jonathan Eckstein so
bekannt vorkam“, schmunzelte er.
„Entschuldigung, aber ich
verstehe nur Bahnhof“, sprach Jonathan seinen ersten zusammenhängenden Satz an
diesem Morgen.
„Das wundert mich nicht“, lachte
Büttner, „als ich dich ... ähm ... Sie zum letzten Mal gesehen habe, da trugen
Sie noch Windeln.“
„Ja, Mensch, das ist jetzt schon
vierzig Jahre her. Guter Gott, wie die Zeit vergeht.“ Katharina dachte an die
Zeit zurück, als sie in der Hamburger Kommune gelebt hatte. David Büttner war
damals öfter auf Besuch gewesen, sein größerer Bruder, einer ihrer Sexgenossen,
hatte ihn mitgebracht. Der Kommissar musste ungefähr ein Jahr jünger sein als
sie. „War schon eine wilde Zeit, damals, in der Kommune, nicht wahr?“
Sebastian Hasenkrug quollen bei
diesen Worten beinahe die Augen aus dem Kopf. „Sie haben in einer Kommune
gelebt, Chef?“
Büttner sah ihn verärgert an.
„Und wenn? Was wäre daran so schlimm?“
„Ach was“, lachte Katharina,
„David war doch damals noch viel zu jung. Er kam nur zu Besuch.“
„Na, so jung war ich ja nun auch
nicht mehr“, beeilte sich Büttner zu sagen. Als kleiner unerfahrener Idiot
wollte er nun auch nicht dastehen. „Immerhin war ich schon fast volljährig.“
„Ja, und du hast bei uns deine
ersten sexuellen Erfahrungen sammeln dürfen“, bemerkte Katharina mit einem
Augenzwinkern.
„Echt?“ Hasenkrugs Augen wurden
immer größer.
„Ich glaube nicht, dass das
hierher gehört“, sagte Büttner gepresst.
„Stimmt, du bist ja jetzt bei den
Bullen und aus einem ganz anderen Grund hier, ich vergaß“, erwiderte Katharina
belustigt. „Na, dann können wir ja später noch in Erinnerungen schwelgen.“
Büttner räusperte sich
vernehmlich, bevor er einen Schluck Tee nahm und sich dann an Jonathan Eckstein
wandte. „Wir sind hier, weil Sie angeblich Schüler an Raffael Winter vermittelt
haben, stimmt das?“ Und noch bevor Jonathan antwortete, flog Büttners Kopf zu
Sebastian Hasenkrug herum, der ihn immer noch mit offenem Mund anstarrte.
„Haben Sie eine Maulsperre, oder was?“ blaffte er ihn an, woraufhin sein
Assistent hochrot anlief und schnell nach seinem Tee griff.
„Ja, ich habe Raffael Schüler
vermittelt“, sagte Jonathan im nächsten Moment mit dünner Stimme.
„Hatten Sie ein rein berufliches,
oder auch ein privates Verhältnis zu ihm?“
„Wir haben uns geliebt“,
antwortete Jonathan kaum hörbar.
„Sie haben sich ...“ Nun war es
an Büttner, mit offenem Mund dazusitzen. Schnell nahm er eine spitztütenförmig
gerollte knusprige Waffel, in Ostfriesland Neujahrskuchen genannt, aus der
Schale, die Katharina zwischenzeitlich auf den Tisch gestellt hatte, und biss
so hektisch hinein, dass mehrere größere Stücke abbrachen und auf den Boden
fielen. Büttner ignorierte es.
„Das heißt, Raffael Winter war
Ihr Freund? Ihr Geliebter“, klinkte sich nun Hasenkrug ein.
„Ja. Wir haben uns geliebt“,
wiederholte Jonathan emotionslos.
„Hm. Sie wussten aber schon, dass
Herr Winter auch mit seinen Schülern, nun, sagen wir mal, sexuell verkehrte?“
„Ja.“
„Aha.“ Büttner warf einen schnellen
Blick auf Katharina. Die aber saß angesichts der Worte ihres Sohnes erstaunlich
gelassen da. Es war ihr also bekannt, dass ihr Sohn, der Pastor, zum einen
schwul war und zum anderen nicht der einzige Sexualpartner von diesem Winter.
Wie es ihr wohl damit ging? „Und das hat Sie nicht gestört?“
„Nein. Mir war es lieber, ihn mit
anderen zu teilen, als ganz auf ihn zu verzichten.“
„Aha. Wann haben Sie Raffael
Winter zum letzten Mal gesehen?“
„Vor zwei Tagen.“
„Das heißt, Sie waren gestern,
also am Tag des Mordes, nicht mehr bei ihm?“
„Nein“, log Jonathan.
„Was haben Sie denn um die
Tatzeit gemacht?“
„Tatzeit? Wann genau war das?“
„Circa halb drei. Steht in der
Zeitung.“
„Hab ich nicht gelesen. Ich ...
konnte nicht.“ Jonathan fuhr sich fahrig mit den Händen übers Gesicht. „Ich war
in der Stadt“, sagte er dann, „musste noch was für meine
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