Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
nächste Predigt
besorgen.“
„Kann das jemand bezeugen?“
„Weiß nicht, im Geschäft
vielleicht.“ Er nannte dem Kommissar den Namen.
„Warum hatten Sie sich gestern
nicht mit Herrn Winter verabredet?“
„Er hatte keine Zeit.“
„Weil er sich mit seinen anderen
Liebhabern vergnügte?“ Büttner sah, wie Jonathan bei diesen Worten
zusammenzuckte. Genau das hatte er beabsichtigt. Denn er glaubte dem Herrn
Pastor kein Wort. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er log. Die Antworten kamen
ihm zu mechanisch, so, als hätte Jonathan sie sich vorher überlegt. Auch nahm
er ihm nicht ab, dass er die Techtelmechtel seines Gefährten einfach so klaglos
hingenommen hatte, wie er behauptete. Vielmehr war davon auszugehen, dass er
vor Eifersucht zerfressen war. Ihm, Büttner, würde es auf jeden Fall so gehen,
wenn seine Frau ihn so behandeln würde. Das war doch ganz normal. Ja, er ging
davon aus, dass dieser Jonathan vor Eifersucht und Verzweiflung nicht mehr ein
noch aus gewusste hatte. Ein herrliches Mordmotiv.
„Wie ist es dir denn mit der
Liebesbeziehung deines Sohnes gegangen?“, wandte sich Büttner übergangslos an
Katharina. „Könnte mir vorstellen, dass dich das ziemlich mitgenommen hat, ihn
so leiden zu sehen.“
„Er ist erwachsen“, sagte sie und
zuckte mit den Achseln. „Noch Tee?“
„Ja, bitte.“ Trotz ihrer so
offensiv zur Schau gestellten Gelassenheit – oder gerade deswegen – ließ sich Büttner
nicht täuschen. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Unmöglich konnte ein
Mutterherz von solch einer Tragödie, wie sie sich ganz offensichtlich zwischen
Raffael Winter und Jonathan Eckstein abgespielt hatte, unberührt bleiben. „Wo
warst denn du zur Tatzeit?“
„Ich?“ Katharina sah ihn verwirrt
an. Mit der Frage hatte sie anscheinend nicht gerechnet. „Ich ... war mit dem
Hund spazieren.“
„Wo?“
„Nach Hinte raus.“
„Hat dich jemand gesehen?“
„Keine Ahnung. Was soll das,
David? Verdächtigst du jetzt mich, diesen Raffael umgebracht zu haben?“
„Hier ist jeder verdächtig“, ließ
sich Sebastian Hasenkrug vernehmen.
„So.“ Katharina sah Büttner
wütend an, der aber ließ sich dadurch nicht beirren. „Warum haben Sie Herrn
Winter die ganzen Schüler vermittelt, wenn Sie doch wussten, dass er sich mit
ihnen amüsieren würde, Herr Eckstein?“, wandte er sich wieder an Jonathan.
„Weil er naiv ist“, stieß
Katharina hervor, noch bevor ihr Sohn den Mund zu einer Antwort geöffnet hatte.
Jonathan warf seiner Mutter einen
langen Blick zu. „Stimmt“, sagte er dann, „weil ich naiv bin.“
Mit einem tiefen Seufzer erhob
sich Büttner von seinem Stuhl. „Danke für den Tee“, sagte er. „Es war schön,
dich wiederzusehen, Katharina“, fügte er hinzu und schenkte ihr ein dünnes
Lächeln. „Ich wünschte nur, es wäre unter anderen Umständen geschehen.“
„Ja“, nickte sie, „das wünschte
ich auch. Aber konnte ja keiner ahnen, dass du mal ein Bulle wirst, damals, als
wir noch alle unsere Brötchen geklaut und gemeinsam die Haschpfeife geraucht
haben.“
„Danke für die Retourkutsche“,
sagte Büttner müde, während Hasenkrug verlegen auf seinen Lippen kaute und
demonstrativ in eine andere Richtung sah, „aber ich mache hier nur meinen Job.
Auch wenn es dir gerade nicht in den Kram passt.“ Damit wandte er sich um und
ging grußlos zur Tür hinaus.
12
Sybille Ravensburger verstand die
Welt nicht mehr. Was war nur mit Magdalena Fehnkamp los, dachte sie nun schon
zum wiederholten Male. Ihre Schülerin schien ein völlig neuer Mensch zu sein.
Wie befreit lachte und alberte sie mit ihren Klassenkameraden herum, und es
war, als habe es die stille, strebsame und gottesfürchtige Schülerin Magdalena
nie gegeben. Seltsam. Der Tod von Raffael Winter schien sie nicht im Geringsten
zu belasten. Eigentlich hatte sie, Sybille, erwartet, das junge Mädchen völlig
aufgelöst und in Trauer versunken auf ihrem Stuhl kauern zu sehen. War es doch genau
dieser Gedanke an eine am Boden zerstörte Magdalena gewesen, der ihr an diesem
Morgen Auftrieb gegeben hatte, sich trotz ihrer äußerst depressiven Stimmung
aus dem Bett zu quälen und zur Schule zu gehen. Ja, tatsächlich, sie hatte sich
diebisch auf den Anblick einer zerknirschten und verheulten Magdalena gefreut. Denn
dieser Anblick würde ihr in ihrer persönlichen Trauer und Wut nicht nur
Genugtuung, sondern auch Kraft sein, diesen weiteren furchtbaren Tag durchzustehen.
Genauso, wie sie in
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