Lustnebel
dem Butler, empfangen. „Lady Rowena, Eure Mutter hat mich beauftragt, Euch an die Einladung zum Dinner bei den Walstons zu erinnern.“
Rowena reichte dem Hausmädchen Handschuhe, Schute und Pelisse, ehe sie sich dem Butler zuwandte. „Danke, Paul. Ich habe es nicht vergessen. Bitte schick ein Mädchen mit Tee und einem Imbiss auf mein Zimmer. Ich möchte mich ein wenig ausruhen“, entgegnete sie.
„Sehr wohl, Lady Rowena.“ Der Butler entfernte sich mit einer Verbeugung.
Rowena erwachte, als ihre Zofe Betsy eintrat. Betsy war nur wenig älter als Rowena, doch klein und zierlich und besaß ein Puppengesicht, das sie wie ein sehr junges Mädchen wirken ließ.
Rowena richtete sich gähnend auf. „Meine Güte, ich bin tatsächlich eingedöst“, erklärte sie schlaftrunken.
„Ihr habt geschlafen wie ein Murmeltier, Mylady. Eure Mutter wies uns an, Euch ruhen zu lassen.“ Betsys quirlige Art wirkte belebend auf Rowena, und sie schwang ihre Beine aus dem Bett. Sie warf dem Tablett mit Tee und Sandwiches einen sehnsüchtigen Blick zu.
„Hast du mich früh genug geweckt, damit ich noch etwas essen kann?“, erkundigte sich Rowena.
„Natürlich, Lady Rowena. Ich kenne Euch doch“, gab Betsy schmunzelnd von sich.
Rowena machte sich heißhungrig über den Imbiss her.
„Du bist die beste Zofe, die ich mir vorstellen kann“, verkündete sie inbrünstig. Ihr Magen knurrte, als sie sich setzte. Ihr Unterleib schmerzte und rief ihr das Erlebte des Nachmittags in Erinnerung. Sie legte das Sandwich auf den Teller zurück. Mit einem Schlag war ihr der Appetit vergangen.
Was hatten sich Claire und sie nur gedacht? Wenn jemand herausfand, was sie getan hatten? Ihr Ruf wäre für alle Zeit ruiniert. Der Skandal wäre unbeschreiblich und sicherlich kaum zu übertrumpfen. Zwei jungfräuliche Ladys, die sich in verruchten Orgien mehreren Männern gleichzeitig hingaben.
Panik flutete ihren Geist. Sie zwang sich, ein Zittern zu unterdrücken. Betsy trat besorgt neben sie.
„Himmel, was habt Ihr denn? Ihr seid mit einem Mal kreidebleich geworden. Ihr werdet doch wohl nicht was ausbrüten?“ Fürsorglich legte ihr die Zofe die Hand auf die Stirn. „Fühlt sich normal an“, beschied Betsy, während sie Rowena aufmerksam musterte. „Ein bisschen Grün um die Nase herum seid Ihr aber dennoch.“
Rowena blinzelte und nötigte sich zu einem Lächeln. „Ich bin wohlauf, nur ein wenig Muskelkater. Ich habe mich heute Nachmittag ein wenig übernommen.“ Um Betsy zu beruhigen, griff sie nach dem Tee und trank. Sie nickte ihrer Zofe zu. „Und jetzt lass uns die Abendgarderobe für das Dinner herrichten.“
Betsy taxierte sie argwöhnisch. „Ich kenne Euch. Ihr spielt mir etwas vor“, erklärte sie.
„Muss ich etwa selbst in das Ankleidezimmer gehen und meine Robe holen?“, fragte Rowena.
Betsy setzte sich in Bewegung. „Habt Ihr bestimmte Vorstellungen?“, wollte sie wissen, ehe sie in der Kleiderkammer verschwand.
„Ist das Abendkleid mit dem Volantröcken und den langettierten Säumen geflickt?“, erkundigte sich Rowena, während sie nach dem Sandwich fasste. Als Betsy ihren Kopf aus der Tür streckte, biss Rowena hinein und kaute.
„Welches meint Ihr?“
„Das Gelbe, das ich bei der Soiree letzten Monat getragen habe. Das mit dem zerrissenen Saum.“
Betsy nickte. „Ich erinnere mich, das brachte die Schneiderin in Ordnung. Es ist so gut wie neu. Sie hat ein paar Seidenrosen aufgebracht, niemandem wird auffallen, dass es kein neues Kleid ist“, erwiderte Betsy. Sie kehrte in den Nebenraum zurück, und Rowena warf das Sandwich in den Kamin. Es begann zu kokeln und zu rauchen. Sie verzog das Gesicht und versuchte, mit dem Schürhaken und einem Holzscheit das Malheur zu vertuschen.
Die Zofe kam mit der Abendgarderobe zurück. Sie erstarrte, ehe sie sich Rowena zuwandte.
„Es riecht verbrannt. Was stellt Ihr denn an?“
Rowena stocherte in Sandwich und Glut herum, während Betsy das Kleid auf das Bett legte und zu ihr kam. Gerade, als die Zofe neben sie trat, züngelten Flammen empor und versengten das Sandwich zur Unkenntlichkeit.
„Steckt den Schürhaken fort“, forderte Betsy sie auf. „Es brennt wieder. Wir lüften kurz, damit der Gestank abziehen kann, und dann beginnen wir mit den Vorbereitungen für heute Abend.“
Im Innern der Kutsche war es dunkel. Rowena blickte auf ihren Rock, dessen Sonnengelb in der Düsternis unansehnlich ockerfarben wirkte und die Rosen wie vereinzelt
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