Lustnebel
Butler sich aus irgendeinem Grund ihr gegenüber in einer überlegeneren Position fühlte.
Sie zwang sich, die Treppe hinabzulaufen, mit der Gelassenheit und Selbstverständlichkeit, die ihr zustand, auch wenn sie sich nicht so fühlte. Sie schenkte dem Butler einen herablassenden Blick.
„Artur? Richtig? Ihr seid gewiss ein hervorragender Butler. Vielleicht führt Ihr mich ein wenig herum? Mein frisch angetrauter Ehemann scheint sich wichtigeren Dingen widmen zu müssen.“ Absichtlich sprach sie den Mann mit falschem Namen an. Er sollte nicht denken, dass sie ihn wichtig genug nahm, um sich seinen Namen zu merken.
Arthur führte sie gewissenhaft durch das gesamte Haus, beantwortete Rowenas Fragen zum Ablauf des Haushalts und den Gewohnheiten und Vorlieben Chaytons.
Sie erfuhr, dass Chaytons bevorzugter Aufenthaltsort Barnard Hall war, sein Anwesen am Lake Windermere. Ein Herrenhaus beim Dorf Blawith Tower, in der Nähe des Städtchens Finsthworth.
„Der Marquessof Windermere hält sich also die meiste Zeit auf dem Land auf?“
„Jawohl, Mylady. In dieser Saison hält sich seine Lordschaft bereits ungewöhnlich lange in der Stadt auf“, bestätigte der Butler und warf Rowena einen vorwurfsvollen Blick zu.
Rowena beschloss, Catriona dazu zu befragen. Sie blickte sich in dem Morgensalon um und trat an das Fenster. In der Eingangshalle fiel die Tür ins Schloss. Auf der Straße wartete Chaytons Kutsche. Dieser näherte sich dem Gefährt, und eine zerlumpte Gestalt löste sich aus dem Schatten eines Durchgangs zwischen den Häusern. Zu Rowenas großem Erstaunen grüßte Chayton den Kerl und stieg gemeinsam mit ihm in die Equipage ein. Während die Droschke davonpolterte, überlegte sie, ob sie Arthur danach fragen sollte, doch ihre Antipathie und die Vermutung, dass er ihr nichts erzählen würde, hielten sie stumm.
Sie zwang ein Lächeln auf ihre Züge und drehte sich zum Butler. „Vielleicht stellt Ihr mir die anderen Bediensteten vor“, forderte sie ihn auf.
Der Mann verneigte sich, und ein Hauch seiner Haarpomade umwehte Rowenas Nase.
Die Matratze war genau richtig, nicht zu hart und nicht zu weich. Die Bettdecken umhüllten Rowena wie ein Kokon, und sie sank in einen tiefen, erholsamen Schlaf, aus dem sie erst in den frühen Morgenstunden erwachte.
Von unten drangen gedämpfte Stimmen in ihr Schlafgemach, ganz offensichtlich gingen die Hausangestellten ihrer Arbeit nach. Rowena rieb ihre Wange genüsslich am Kissen und rekelte sich. Bald käme Betsy mit dem Morgentee. Rowena war es gewohnt, früh aufzustehen und noch vor dem Frühstück einen ausgedehnten Morgenspaziergang zu unternehmen. Sie hielt bei dem Gedanken inne. Seit gestern hatte sich alles geändert. Sie war eine Ehefrau. Würde sie ihre Gewohnheiten aufgeben müssen?
Rowena drehte sich auf den Rücken und spürte mit einem Mal, dass sie nicht alleine in ihrem Zimmer war. Sie öffnete die Augen und wandte langsam ihren Kopf.
Chayton hatte einen Lehnsessel an das Bett gezogen und lümmelte darin, die Fingerspitzen aneinandergelegt, die Beine von sich gestreckt. Sein Haar hing offen über die Schultern, und sein Morgenmantel klaffte an der Brust auf und gab den Blick auf bronzefarbene Haut frei. Seine Augen fixierten sie, und Rowena schluckte.
Hitze breitete sich über ihre Haut aus und vereinte sich mit einem erregten Kribbeln, das jenem Gefühl glich, als sie als Kind in einen Ameisenhaufen gefallen war.
Sie unternahm mehrere Versuche, sich zu räuspern. Ihr Herz schlug wie wild, und sie wünschte sich, Chayton würde sie endlich erlösen, doch er blieb reglos sitzen und musterte sie nur intensiv.
„Wünschst du den Vollzug der Ehe?“, brachte sie schließlich zitternd hervor.
Chayton schwieg eine Weile, und Rowena ahnte, dass er es genoss, sie in Ungewissheit zu lassen. Er ließ seinen Blick über sie wandern, und sie zog die Bettdecke bis zu ihrem Kinn. Chayton stand auf und zerrte an ihrer Decke, die Rowena nur umso fester umklammerte.
Er seufzte und setzte sich an den Bettrand. Seine Hand lag auf ihrem Bauch, und durch die Decke hindurch brannte seine Berührung auf ihrer Haut. Sie blinzelte nervös.
„Du hast doch nicht etwa Angst?“, spöttelte er.
„Selbstverständlich nicht“, log Rowena. Chaytons Hände legten sich um ihre.
„Dann lass mich die Decke fortnehmen.“
Trotzig umfasste Rowena die Bettdecke fester. „Ich bin nicht bereit“, erklärte sie.
„Ich bin dein Mann. Ich verlange nicht weniger als
Weitere Kostenlose Bücher