Lustnebel
Chaytons abruptes Verlassen ihres Bettes Scham und das Gefühl, ausgenutzt worden zu sein.
Sie straffte sich und bemerkte Chaytons forschenden Blick auf sich ruhen.
„Stimmt etwas nicht, meine Liebe?“, erkundigte er sich mit sonorer Stimme.
Rowena verneinte mit einer Kopfbewegung. „Alles in Ordnung, Chayton“, behauptete sie.
„Chay, Chayton Bannister? Ist das die Möglichkeit?“ Die raue Männerstimme klang gedehnt und verwaschen, doch so fröhlich und überrascht, dass Rowena den derb aussehenden Mann anlächelte.
Sein hellblonder Haarschopf hatte dem Versuch, ihn mit Pomade zu glätten, erfolgreich widerstanden, und seine gebräunte Haut zeugte von häufigem Aufenthalt in der Sonne. Doch seine Kleidung war korrekt und teuer, auch wenn sein Benehmen verriet, dass ihm der Umgang mit englischen Adelskreisen nicht vertraut war.
Er klatschte Chayton auf die Schulter und grinste ihn an. „Erinnerst du dich an mich?“ Seine Stimme war laut genug, dass ein Grüppchen am Rand der Tanzfläche mit neugierig gespitzten Ohren zu ihnen herübersah.
„Parker Gyylanhaal“, murmelte Chayton angespannt.
Hinter Rowena flüsterte jemand, und sie schnappte die Wortfetzen „Amerikaner und unvorstellbar reich“ auf.
Interessiert musterte sie den Mann. Er schien Chayton von früher zu kennen, doch dieser reagierte unangenehm berührt auf die Begegnung.
„Was verschlägt dich in die Alte Welt?“, fragte Parker erfreut.
Chayton sah sich ertappt und beschämt zugleich um. „Nicht so laut, Parker“, doch der andere beachtete Chaytons Einwurf gar nicht. Mittlerweile war der halbe Saal auf die drei aufmerksam geworden.
„Habe ein paar der adligen Burschen von einem Chayton Bannister reden hören, der einen Adelstitel trägt. Entspricht das tatsächlich der Wahrheit?“, erkundigte sich Parker Gyylanhaal mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Mein Name ist Chayton Bannister, Marquess of Windermere. Der Titel ist ein Erbe meines englischen Großvaters“, klärte Chayton seinen Bekannten steif auf.
Der Amerikaner bog sich vor Lachen, und als er sich langsam beruhigte, wischte er sich Tränen aus den Augen. „Das erklärt das Aussehen eines feinen Pinkels. Das letzte Mal trugst du nicht mehr als einen Lendenschurz und Tarnfarbe“, keuchte Parker atemlos. Rowena bewahrte Haltung, trotz dieser ungewöhnlichen Offenbarung. Sie verkniff sich, allzu neugierig und überrascht zu wirken.
„Chayton, möchtest du mich deinem Freund nicht vorstellen?“, mischte sich Rowena ein, sich darauf besinnend, dass es ihre Aufgabe als Ehefrau war, ihrem Mann in solchen Momenten beizustehen.
Parker lachte immer noch.
„Wenn du dich fassen würdest, könnte ich dir meine Gemahlin vorstellen.“ Chaytons Miene verfinsterte sich. Ein Blick auf Chayton und Parker wurde ernst. Er straffte sich. „Verzeihung.“ Er verbeugte sich vor Rowena. „Mylady.“
„Parker Gyylanhaal, meine Gemahlin, Rowena Bannister, Marchioness of Windermere. Rowena, dies ist ein alter Freund aus Amerika. Parker Gyylanhaal, Baumwollfabrikant.“
Parkers Blick flog zwischen Rowena und Chayton hin und her, ehe er Rowena ungelenk, doch standesgemäß begrüßte.
„Meiner Treu! Chay, du bist verheiratet und ein Marquess, wer hätte das gedacht? Scheint, als berge mein Ausflug in die Alte Welt einige Überraschungen“, meinte Parker.
Chayton nickte und sah hinter Parker. „Entschuldige, ich sehe unsere Gastgeber. Wir wollen nicht unhöflich sein und uns bei ihnen bedanken.“
Parker stimmte zu, und Rowena konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass beide Männer froh waren, getrennte Wege zu gehen.
Kurz darauf standen sie und Chayton dem Duke of Middlesborogh und seiner Gemahlin Margaret gegenüber.
Die Duchess musterte Rowena wohlwollend und grüßte sie mit einer huldvollen Geste. Sie fächelte sich Luft zu. „Lady Windermere, wie reizend, Euch und Euren Gemahl auf unserem Ball zu begrüßen“, verkündete Margaret, während sie ihren schwarzgemusterten Fächer sinken ließ.
Rowena lächelte. „Mylady, wir bedanken uns für die Einladung zu Eurem Fest. Es ist einfach wundervoll“, lobte sie die Lady.
Margaret neigte erfreut über das ehrlich gemeinte Kompliment ihren Kopf. „Vielen Dank, Lady Windermere. Habt Ihr Lust, mit mir hinaus in den Garten zu gehen und die beleuchteten Blumenrabatten zu bewundern?“
Es wäre unhöflich gewesen, der Aufforderung nicht nachzukommen, und so folgte Rowena der Duchess nach draußen, bemüht darum,
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