Lustnebel
Kopf in die Ehe einwilligt.“
Die anwesenden Herren schmunzelten, und die Damen kicherten verschämt. Sir Geoffrey lief puterrot an. Noch ehe er weiter sein Gift verspritzen konnte, eilte unversehens Hilfe herbei.
„Lasst gut sein, Sir Geoffrey“, ließ sich der Duke of Middlesborogh vernehmen. „Provoziert keinen Streit. Meine Frau ist äußerst nachtragend und darauf bedacht, dass sich heute Nacht jeder einzelne Gast amüsiert.“
Der Duke warf Chayton einen scharfen Blick zu, ehe er Turnbull die Hand auf den Rücken legte und ihn Richtung Terrasse schob. „Wir beide gehen an die frische Luft. Das klärt Euren Geist. Ihr hattet heute Abend ein paar Gläser Punsch zu viel.“
Geoffrey Turnbull entwand sich der jovialen Berührung des Duke, wagte jedoch nicht, ihm zu widersprechen und folgte dem Gastgeber nach draußen.
Rowena holte erleichtert Luft, erstarrte aber, als sie das wütende Funkeln in Chaytons Augen bemerkte.
„Ich hatte und habe es nicht nötig, dass eine Frau meine Kämpfe für mich bestreitet“, knurrte er.
Verwirrt starrte sie in Chaytons dunkles Gesicht. Eine schwarze Haarsträhne hing in seine Stirn und verlieh ihm das wilde Aussehen eines Barbarenprinzen.
„Hat es so ausgesehen, als mischte ich mich in etwas ein, das mich nichts angeht?“, wollte sie wissen, enttäuscht, dass er so darüber dachte. „Mir schien eher, als versuchte er, meine Reputation in Misskredit zu bringen.“ Sie entzog ihm ihre Hand, die noch immer bei ihm eingehakt war. „Ich habe offensichtlich für mich gesprochen. Und nicht für dich.“ Sie reckte ihr Kinn in die Luft und wandte sich ab. Sie wusste nicht, welche Sitten bei den Indianern herrschten, doch ganz gewiss ließ sie sich nicht gängeln und beleidigen. Schon gar nicht von ihrem eigenen Ehemann und noch weniger von jemandem wie Geoffrey Turnbull. Sie hob ihre Röcke und drehte sich so schwungvoll um, dass der Stoff raschelte.
Rowena durchquerte den Saal und erreichte die Flügeltüren hinaus zu einer der Terrassen, als sich ihr ein Lakai näherte.
„Mylady?“ Er verneigte sich unterwürfig. „Vergebt mir, seid Ihr die Marchioness of Windermere? Ich habe eine wichtige Botschaft für Euren Gemahl.“
Einen Seufzer unterdrückend, suchte Rowena unter den Ballgästen nach Chayton und entdeckte ihn an derselben Stelle, an der sie ihn stehen lassen hatte. Er stand da und beobachtete sie mit regloser Miene.
„Gib mir die Nachricht, ich werde sie meinem Gatten überreichen“, meinte Rowena und streckte ihre Hand aus.
Der Diener wich zurück, als hätte er Angst, Rowena würde ihm das Papier entreißen.
„Ich habe es ausschließlich Lord Windermere auszuhändigen“, widersprach der Mann, und seine hellen Augen kniffen sich misstrauisch zusammen.
Das Orchester spielte ein neues Stück, das sich erstaunlich gut an Rowenas Stimmung anpasste. Sie machte eine auffordernde Handbewegung.
„Nun denn, ich folge dir.“ Genervt, weil ihr der Mann den hoheitsvollen Abgang ruinierte, drängte sie sich an den Feiernden vorbei, dem Lakai dicht auf den Fersen.
Nachdem er Chayton die Nachricht übergeben hatte, verschwand er in der Menge. Chayton las die Notiz, wurde blass und steckte sie in seine Hosentasche. Besorgt beugte Rowena sich vor.
„Gibt es Probleme?“
Chayton schüttelte den Kopf. „Nichts, was dich anginge.“ Er reichte ihr den Arm. „Wir gehen.“
„Gehen? Wir sind doch eben erst gekommen!“, protestierte Rowena.
„Wir gehen sofort!“ Die Nachdrücklichkeit in seiner Stimme ließ sie ihn aufmerksam mustern. Er nötigte sie zum Aufbruch und setzte sie in die Kutsche, während er selbst in eine anonyme Droschke einstieg, die vor ihrer eigenen stand. Stirnrunzelnd beobachtete Rowena, wie der Fahrer die Peitsche knallen ließ und mit Chayton in die Nacht davonbrauste.
Rowena rang mit der Ungewissheit, die sich in ihre Seele fraß wie ein gefräßiger Wurm durch einen Apfel. Was verbarg Chayton? Wer war er? Sie hatte ihn geheiratet, wusste jedoch nichts von ihm. Nur so viel, dass er indianischer Abstammung war und aufgrund seiner entfernten Verwandtschaft mit dem verstorbenen Marquess of Windermere dessen Titel geerbt hatte.
Kapitel 4
„Großer Geist, bewahre mich davor,
über einen Menschen zu urteilen,
ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.”
Unbekannter Apachen-Krieger
Als sie zu Hause in ihr Gemach stürmte, hatten sich die Zweifel und das Misstrauen so sehr gesteigert, dass sie fast
Weitere Kostenlose Bücher