Lustnebel
Ihr Euch nicht Blasen gelaufen habt.“
Rowena kicherte. Alice schien nett, aber seltsam. Im Anbetracht der Tatsache, dass sie jedoch Chayton kannte und Rowena auf diese Weise mehr über ihn herausfinden konnte, wollte sie gerne Bekanntschaft mit der blonden Frau schließen.
Alice klatschte zufrieden in die Hände. „Was für eine wundervolle Fügung! Findet Ihr nicht auch?“ Sie berührte Rowenas Unterarm, zog ihre Finger jedoch zurück, als sie zu merken schien, dass Rowena dies zu vertraulich war.
„Und wo wohnt Ihr? Ihr seid verheiratet?“, erkundigte sich Rowena.
Alice deutete hinter sich. „Mein Gemahl Wilson und ich besitzen ein Haus hier in der Nähe.“
Rowena wandte sich um. „Etwa dieses entzückende graue Landhaus in der Schlucht? Das ist nicht Euer Ernst“, hakte sie nach. „Beim Vorbeifahren dachte ich noch, ich könnte den Bewohnern einen Besuch abstatten, wo sie doch unsere nächsten Nachbarn sind.“
Alice Cuthbert nickte eifrig. „Doch, genau das. Wir haben uns vor ein paar Jahren so sehr verliebt in dieses Haus, dass ich zu meinem lieben Wilson sagte, ich wolle nirgendwo anders hinziehen als in dieses Haus. Wir fühlen uns so wohl dort, dass wir nur zu kurzen Besuchen in London weilen.“ Sie fixierte Rowena nachdenklich. „Haltet mich nicht für dreist, aber darf ich Euch zu einer Tasse Tee einladen?“
Rowena schüttelte den Kopf. „Im Augenblick nicht, ich bin hier, um Besorgungen zu erledigen, und ich muss mich langsam sputen“, meinte sie bedauernd.
Alice wirkte enttäuscht. „Wie schade.“
„Ein andermal gerne. Vielleicht besuche ich Euch demnächst einmal“, versprach Rowena.
Verschreckt sah Alice sich um. „Ja, ja, sicher das wäre nett. Mir fällt ein, dass ich ebenfalls viel zu lange unterwegs bin. Mein Wilson wird unruhig, wenn ich nicht pünktlich bin. Bitte, besucht uns bald!“
Der Abschied fiel abrupt aus, doch Rowena dachte nicht weiter darüber nach und betrat den Laden. Der Raum war vollgestopft mit allen möglichen Waren. Stoffe, Töpfe, Werkzeuge, Lebensmittel und inmitten dieses wohlsortierten Chaos flanierte eine Frau und eilte auf Rowena zu, kaum dass sie eingetreten war.
In wenigen Worten schilderte sie der Dame, die sich als Mrs. Tiparnay, die Besitzerin des Warenhauses vorstellte, ihr Anliegen.
„Mylady, es wird mir ein Vergnügen sein, Euch bei diesem Problem behilflich zu sein. In der Tat kenne ich einige kräftige junge Herren und fleißige Damen, die nur zu gerne in Eure Dienste treten wollen“, versicherte Mrs. Tiparnay ihr.
Prüfend musterte Rowena die Händlerin. „Euch ist bewusst, wer ich bin?“, vergewisserte sie sich. „Mein Mann ist der Marquess of Windermere.“
Die Händlerin zuckte mit den Schultern. „Ihr bietet Arbeit und einen Lohn. Beides ist in dieser Gegend selten. Egal, ob euer Gemahl ein kinderfressender Heide oder Wilder ist. Wer hungrige Mäuler zu stopfen hat, ist in der Wahl seiner Herrschaft nicht wählerisch.“
Rowena teilte Mrs. Tiparnay ihre Bedingungen mit, und auch damit stieß sie auf deren Zustimmung.
Kurze Zeit später saß sie mit ihren Einkäufen, die sie erledigt hatte, wieder in der Kutsche.
Rowena wusste nicht, ob sie entsetzt oder erleichtert sein sollte, weil Mrs. Tiparnay die Gerüchte um Chayton kannte. Und genauso wenig war sie sich im Klaren, ob sie die Einstellung der Frau teilte. Andererseits verstand sie, wie verzweifelt Menschen sein konnten, wenn es um ihr Überleben ging. Sie entschied, sich keine Gedanken darum zu machen. Die Arbeiter und Arbeiterinnen wären bei ihr und Chayton in besten Händen.
Wirklich? , flüsterte ein kleines Stimmchen in ihrem Hinterkopf. Waren sie das? Was war mit Chaytons blutverschmierten Kleidern an dem Tag, als er angeblich einem verunglückten Kutscher geholfen hatte? Was mit seiner überstürzten Abreise aus London, kurz nachdem Rowena einem Unfall entgangen war?
Der ganze Mann war ein Rätsel. Geheimnisvoll und düster und abweisend und dominant und doch war es genau das, das sie anzog.
Sie begehrte Chayton so sehr, dass sich ihr Unterleib bei dem Gedanken an seine Berührungen lustvoll zusammenzog. Wenn er zu ihr kam, sie packte und all diese verruchten Dinge mit ihr anstellte, war es ihr egal, ob er ein Barbar war, ein Schuft oder gar ein Mörder.
Sie presste ihre Fäuste an die Lippen. Sie wollte nicht glauben, dass Chayton etwas anderes als ein anständiger Mann war. Was sollte er mit den Giftmorden zu tun haben? Was verband ihn mit
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