Lustnebel
hereinstürmen.
Alice lächelte und wandte sich Wilson zu. „Es wird Zeit, mein Bester. Wir sollten uns auf den Rückweg machen.“
Nachdem Rowena die Cuthberts verabschiedet hatte und mit den Handwerkern neueste Pläne besprochen hatte, traf sie am Fuß der Treppe eines der Hausmädchen, das ihr mit Putzeimer in der einen und Wischmopp in der anderen Hand entgegenkam.
„Mylady, verzeiht.“ Das Mädchen, eins der beiden aus Blawith Tower, die Rowena auf die Empfehlung Cains hin angestellt hatte, knickste. Nachdem mehr und mehr Leute aus Finsthworth in Barnard Hall arbeiteten, hielt auch ein paar bodenständige Dorfbewohner nichts mehr zurück, um einen Posten bei Rowena zu ersuchen.
„Was gibt es?“ Rowena gefiel die Art des rothaarigen Mädchens. Höflich, aber nicht schüchtern. Langsam vermisste sie eine persönliche Zofe. Betsy hatte nicht mitkommen wollen, und Rowena hätte das auch nie von ihrer ehemaligen Zofe verlangt. Vor allem nicht, da die Gute endlich einen Mann kennengelernt hatte, dem es ernst mit ihr schien. Vielleicht würde sie Betsy und ihrem zukünftigen Mann Geld für ein eigenes Häuschen auf dem Land zukommen lassen.
Das Dienstmädchen zog ein kleines Fläschchen aus der Tasche ihrer Schürze heraus und reichte es Rowena. Fragend betrachtete Rowena die bauchige Phiole.
„Die habe ich beim Putzen unter dem Sofa gefunden“, erklärte Helen, das Hausmädchen.
Rowena zuckte mit den Schultern. „Mir gehört das Fläschchen nicht“, erwiderte sie.
Helen drehte die Phiole hin und her. „Was sollen wir damit anstellen, Mylady?“, wollte sie wissen.
Rowena nahm dem Dienstmädchen das runde Behältnis ab und zog den Stöpsel ab. Am Boden befand sich eine wässrig wirkende Lösung. Sie hob das Fläschen, um daran zu riechen und hielt inne, als vom oberen Ende der Treppe ein Handwerker nach ihr rief. Seufzend verschloss sie das Gefäß und reichte es Helen.
„Wende dich an Cain, Helen.“ Stirnrunzelnd stieg Rowena die Treppen nach oben, um dem Handwerker Rede und Antwort zu stehen.
Sie hatte ihr Gemach beinahe erreicht, als sie erneut aufgehalten wurde. Diesmal von einem der Handwerker, die in den Obergeschossen zugange waren.
„Mylady, wir haben da ein klitzekleines Problem.“
Flach atmend folgte sie dem Mann in entsprechendem Abstand, denn er verströmte die unangenehme Mischung aus Tabak und altem Schweiß.
Er führte sie in eines der Zimmer im Gästeflügel. Der Raum war bis auf einen asiatischen Kabinettschrank leer. Durch die Balkontüren flutete das Tageslicht, und die Sonnenstrahlen reflektierten auf dem polierten Holz des Schrankes, vor dem ein weiterer Handwerker stand und sich den Kopf kratzte. Als er Rowena eintreten hörte, drehte er sich herum.
„Mylady“, er nickte ihr zu, „was sollen wir tun? Der Schrank lässt sich keinen Meter weit bewegen. Verflucht schwer, das Teil. Scheint voll zu sein bis oben hin, aber die Türen sind abgeschlossen.“
Rowena überlegte einen Moment. In einer Zimmerecke standen bereits die Farbeimer bereit, und die Mädchen hatten den Raum von Staub und Schmutz befreit.
„Es lag nirgendwo ein Schlüssel?“, vergewisserte sie sich.
Beide Arbeiter verneinten.
Rowena bewahrte eine Sammlung Schlüssel in einer Schachtel in ihrem Zimmer auf. Die Schlüssel hatten im Haus an den verschiedensten Stellen herumgelegen. Vielleicht fand sich der passende für das Kabinett unter dieser Sammlung.
„Deckt den Schrank sorgfältig ab, ehe ihr die Wände streicht, und bringt eine Borte auf, in der sich das Muster des Möbelstücks wiederholt. Wir werden ihn stehen lassen“, entschied Rowena.
Die Männer nickten zustimmend, und sie überließ die Handwerker ihrer Arbeit.
Cain betrat das kleine Esszimmer mit der Londoner Zeitung auf einem silbernen Tablett. Er stutzte, als er erkannte, dass Rowena allein beim Mittagessen saß.
„Ich habe hier die Londoner Gazette für Seine Lordschaft“, näselte er. Mit Erweiterung der Dienerschaft wurde Cain zusehends vornehmer. Rowena beobachtete die Verwandlung des Mannes mit Amüsement. Nicht mehr lange und er konnte es mit den hochnäsigsten Butlern Londons aufnehmen.
„Lord Windermere ist nach Stott Parkes Bobbin Mill geritten.“ Rowena faltete ihre Serviette und legte sie neben den Teller, ehe sie Cain zurückhielt. „Du kannst mir die Zeitung hier lassen. Ich werfe einen Blick hinein.“
Cain zögerte. „Es ist eine alte Ausgabe. Wir bekommen die Tageszeitungen mit
Weitere Kostenlose Bücher