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Lustschreie

Lustschreie

Titel: Lustschreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Rueckert
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auch nur, indem sie ihm die Intimität eines kleinen Gesprächs widmete.
     
Sie zahlte, nahm die Papiertüten mit dem duftenden Obst entgegen und verschwand in dem zunehmenden Gewühl zwischen den Marktständen. Am Montag um acht verwandelte sich die lässig elegante Marie in eine mondäne Geschäftsfrau im Nadelstreifenkostüm, einer üppigen Wickelbluse aus auberginefarbenem Seidenchiffon und passenden Riemchensandalen, die sich an ihre schmalen Füße mit den chanelroten Nägeln schmiegten. Sie lächelte ihrem unnahbar schönen Spiegelbild noch einmal selbstbewusst zu und schnappte sich die dunkelrote Ledermappe, in der bereits die Projekte für die kommende Woche zusammengestellt waren.
     
Für heute war die Produktion eines Trailers für den neuen Sender vorgesehen, der mit aufwändigen Unterwasseraufnahmen eines verführerisch miteinander schwimmenden Paares für eine sinnlicherotische Programmlinie werben wollte.
     
Marie war stolz auf dieses Vorhaben, das sie energisch gegen die konservative Geschäftsleitung durchgesetzt hatte. Nach der endgültigen Zusage ihres Chefs hatte der schönste Teil ihrer Arbeit begonnen. Marie war für die gesamte inhaltliche Gestaltung des Werbespots zuständig, inklusive der Auswahl der Darsteller. Anstatt die einschlägigen Agenturen abzuklappern und sich Setcards von Models zu bestellen, hatte Marie eine Anzeige in den großen Tageszeitungen geschaltet. Auf der Suche nach der schönsten Berlinerin und dem knackigsten Berliner musste sie sich zwar durch unzählige skurrile Bewerbungsschreiben arbeiten, aber es hatte sich gelohnt. Sie hatte nun eine Vorauswahl von äußerst attraktiven Frauen und Männern in ihr Büro bestellt. Marie genoss diesen Casting-Abend und nutzte ihre Machtposition schamlos aus. Sie ließ jeden Einzelnen in ihrem Büro posieren und sich schließlich bis auf die Unterwäsche ausziehen, um die dargebotenen Körper ausgiebig begutachten zu können. Bei der Auswahl der Frau kam es vor allem darauf an, dass sie lange dunkle Haare hatte, die sich im Wasser wie ein Schleier um ihren Körper winden konnten. Zudem durften die Brüste nicht zu üppig sein, damit sie bei der Unterwasseraufnahme prall und fest vom Körper abstanden. Der Mann dagegen sollte athletisch geformt sein, ohne an einen Bodybuilder zu erinnern. Und er musste bereit sein, sich sämtlicher Körperbehaarung zu entledigen, damit sich unter Wasser keine Luftbläschen auf der Haut bilden konnten.
     
Marie entschied sich schließlich für eine russische Balletttänzerin, die eine unwiderstehliche Mischung aus mädchenhafter Unschuld und zarter Weiblichkeit mit sanften Rundungen ausstrahlte. Der junge Mann ihrer Wahl verkörperte eine raubtierhafte Wildheit, die in dem makellosen Körper eines Adonis gefangen war.
     
Als Marie an diesem Morgen endlich das Filmstudio in Adlershof betrat, war sie neugierig, ob der schöne Athlet ihre Anweisungen befolgt hatte, sich sowohl von jedem einzelnen Haar auf seinem Körper zu trennen, als auch seine ungepflegten Fingernägel einer Maniküre zu unterziehen.
     
«Ah, Marie, da sind Sie ja endlich.»
     
Der leicht genervte Unterton in der Stimme des Produktionsleiters war nicht zu überhören. Aber anstelle einer Entschuldigung für ihre Verspätung schenkte sie ihm ein Lächeln und ließ sich von ihm durch das Gewirr von Stativen, Kabeln und Scheinwerfern zu einem Monitor führen, von dem aus die Aufnahmen der Unterwasserkamera überwacht werden konnten. Marie interessierte sich weder für die komplizierten technischen Details noch für die Funktionen und Aufgaben der unzähligen Mitarbeiter, die hektisch um das Set herumliefen. Das Einzige, was für sie zählte, war das Ergebnis.
     
Plötzlich verstummten die Geräusche in dem riesigen Filmstudio. Eine atemlose Stille breitete sich aus. Marie starrte gebannt auf den Monitor. Der Kameramann, der sich bereits im Tauchanzug auf dem Grund des Wasserbeckens befand, hatte seine Vorbereitungen abgeschlossen. Marie konnte auf dem Bildschirm erkennen, wie sich ein Schwall von Luftblasen im Blickwinkel des Objektivs ausbreitete und schließlich die Sicht auf die untergetauchten Körper der Tänzerin und des Athleten freigab. Obwohl die beiden ungeübt im Tauchen waren, gelang es ihnen, sich einige Momente in der Schwerelosigkeit des Wassers zu bewegen. Die Bilder, die von der Kamera auf den Monitor übertragen wurden, waren überwältigend. Die schwarz ausgeschlagenen Wände des Tauchbeckens erzeugten die

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