Lustvolles Erwachen
Franzosen für sein Büro ist.«
»Und die ›kleine Demütigung‹?«
Er seufzte, als wäre sie lästig. »Nicht mehr als Schaumschlägerei. Was noch?«
»Wie ist Bertie Evenham tatsächlich ums Leben gekommen?«
Die Frage überraschte selbst sie. Aber sie sah, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Diccan straffte unwillkürlich die Schultern und wirkte überrascht. »Was, in Gottes Namen, hat Bertie Evenham mit alldem zu tun?«
Sie stand auf. Sie war es leid, sich wie eine Bittstellerin zu fühlen. »Wie ist er gestorben?«
»Er ist bei einem Duell getötet worden«, erwiderte Diccan gelangweilt. »Das weißt du doch.«
Sie trat zu ihm. »Nein, das weiß ich nicht. Der Mann vom Innenministerium hat behauptet, er sei durch einen Kopfschuss ums Leben gekommen. Und dass du dort gewesen wärst, als es passierte. Stimmt das?«
Dieses Mal bemerkte sie eine Veränderung an ihm, die er nicht verbergen konnte. Der Ausdruck in seinen Augen war düster. Er erstarrte, als würde er sich innerlich wappnen, und wandte den Blick ab.
»Ja«, sagte er mit rauer Stimme, »ich war dort. Ich sah, wie er sich selbst richtete.«
Sie war schockiert. Instinktiv streckte sie die Hand aus, aber er nahm sie nicht wahr. »Warum?«
Endlich drehte Diccan sich um. Zum ersten Mal dachte Grace, dass er zerbrechlich aussah. »Spielschulden. Ich habe keinen Grund gesehen, einer trauernden Mutter zu erklären, dass ihr Sohn gesagt hat, er habe es nicht verdient zu leben, ehe er sich die Pistole an die Schläfe gesetzt hat.«
Sie presste ihre Hände auf ihre Brust. Der Schmerz drohte, sie zu versengen. Diccan hatte indes seine äußere Ruhe und Gelassenheit wiedergefunden. Aus irgendeinem Grund jedoch hatte Grace den Eindruck, dass hinter dieser schönen Fassade ein Sturm tobte. Dieses Gefühl weckte in ihr die Sehnsucht nach ihm, und das machte sie wütend.
»Bei deiner Ehre?«, fragte sie aufgewühlt.
Diccan sah sie eindringlich an. »Bei meiner Ehre. Lässt du es jetzt gut sein?«
Eine ganze Weile fand sie keine Antwort darauf. Irgendetwas fühlte sich falsch an, und sie wusste nicht, was es war. Doch es war ein Schlag zu viel für sie gewesen, und sie war es leid.
»Ich weiß es nicht«, gab sie zu und überraschte mit der Antwort auch sich selbst.
Seufzend fuhr Diccan sich durchs Haar. »Was muss ich tun, damit du zufrieden bist und Ruhe gibst?«, wollte er wissen. »Was willst du von mir?«
Und ehe es ihr überhaupt bewusst war, sagte sie es ihm. »All die Dinge, die du gestern Nacht mit deiner Geliebten getan hast …«, sagte sie und zitterte ob der Ungeheuerlichkeit ihres Mutes. »Ich will, dass du mit mir das Gleiche machst.«
Kapitel 15
Diccan machte den Mund auf, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Er war sich sicher, etwas missverstanden zu haben. Auf keinen Fall hatte Grace gesagt, was er gerade zu hören geglaubt hatte. Nicht die nüchterne, praktische, zurückhaltende Grace. Doch sie stand mit ernster Miene vor ihm, und ihm wurde bewusst, dass sein Herz zu hämmern begonnen hatte. Ihm schien der Atem zu stocken. Er fühlte sich, als wäre er in einen reißenden Strom gestoßen worden.
»Möchtest du dich erklären?«, fragte er, so ruhig es ging.
»Ich hatte Zeit nachzudenken«, erwiderte sie. Ihre Stimme klang wie dunkle Seide. Die Hände hatte sie gefaltet, und ihr Kopf war hoch erhoben. »Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Enthaltsamkeit überbewertet wird. Da du nicht geneigt bist, etwas an dem derzeitigen Zustand zu ändern, schien es an mir zu sein, dich zu fragen. Wie auch immer, ich würde es bevorzugen, mich nicht an jemand anders wenden zu müssen, um meine … Lust zu stillen.«
Sie wirkte so verdammt ruhig und kühl – wie eine barfüßige, wild gelockte Kriegerin in Mieder und Unterrock. Anfänglich hatte er ihre Ruhe fälschlicherweise für Gleichgültigkeit gehalten. Jetzt wusste er es besser. Ihre Anspannung zeigte sich in den flachen Atemzügen, an dem fleckigen Rot, das von ihrem Dekolleté aufstieg, an der Art, wie sie die Hände vor sich gefaltet hatte, als würde sie Tee mit seiner Mutter trinken.
Sie konnte nicht verzweifelter sein als er. Sie hatte genau gesehen, was er mit Minette getan hatte. Bei Gott, sie hatte ihn gehört, und was er gesagt hatte, war unverzeihlich. Und er konnte es ihr nicht erklären.
Es kam ihm vor, als würde der Raum immer enger werden. »Du willst, dass ich mit dir das Gleiche mache, was ich gestern Nacht getan habe.«
Den Rücken
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