Lustvolles Erwachen
wollte, was er nun dank der Hochzeit alles besaß, dann sollte er es selbst herausfinden. Innerhalb von zwölf Stunden nach seiner Ankunft in der Clarges Street hatte der Affe – ein ziemlich mürrischer Langur mit einem dunklen Gesicht – Diccans Lieblingsglobus zerschmettert, den ersten Diener gebissen und Diccans Bett mit reifen Früchten beworfen. Grace erinnerte jeden der Bediensteten daran, dass es nun Diccans Haustier war und dass sie das nicht vergessen sollten. Alle grinsten.
Während der Affe auf der Vorhangstange in Diccans Arbeitszimmer hockte, zog Grace ihre Haube aus, zog ihren Mantel an und brach zu Kate auf. Grace hielt ihr Versprechen. Beim Tee informierte sie Kate über die neueste Drohung ihrer Familie wegen des Bildes. Wie nicht anders zu erwarten, lachte Kate. »Grundgütiger. Was für eine überaus kreative Idee. Ein Bild. Ich nehme an, ich muss mich geehrt fühlen, dass sie so viel Energie darauf verwenden, mich gefügig zu machen. Leider kann ich ihrem Wunsch nicht nachkommen.«
Grace sah, wie Bea Tränen in die Augen stiegen. »Un…würdig«, stieß die alte Dame hervor, und Grace wusste, dass sie nicht von den Malern sprach.
Kate streckte den Arm aus und ergriff Beas Hand. »Meine liebe Bea, du und ich wissen beide, dass es am Ende nur noch eine weitere Blamage für Edwin geben wird.«
»Gefälscht«, protestierte Bea mit besorgter Miene und fuchtelte mit der freien Hand herum.
»Falls es tatsächlich ein Bild geben sollte«, sagte Kate, »ist es ganz sicher gefälscht. Was sich leicht beweisen lassen wird – und das ist schade für Edwin.«
Darüber hatte Grace nicht nachgedacht.
»Das würde er nicht tun.«
Kate lachte leise und hielt noch immer die Hand der offensichtlich beunruhigten Bea. »Das würde er tun. Nun ja, Glynis würde. Edwin fehlt dazu die Gerissenheit. Er würde es allerdings für eine brillante Idee halten, dieser erbärmliche kleine Idiot.«
Grace wünschte sich, die schlechten Nachrichten hätten ein Ende und sie könnte den Tee genießen. Auf der Fahrt zurück nach London hatte sie eine Entscheidung getroffen. Es war zu gefährlich, Geheimnisse für sich zu behalten. Sie brauchte Hilfe. Sie musste ihr Wissen über Diccan mit jemandem teilen. Sie hatte bereits eine Nachricht an Olivia geschickt und sie gebeten, sich hinsichtlich der Ermittlungen über die Löwen einmal umzuhören. Sie sollte es auch Kate nicht vorenthalten. Eines stand fest: Niemand konnte Kate etwas vormachen.
»Es gibt noch Schlimmeres, fürchte ich«, sagte Grace und stellte ihre Tasse ab. »Es geht um Diccan.«
Kate hatte Grace’ Verzweiflung offenbar bemerkt, denn sie stellte ihre Tasse ebenfalls ab und lehnte sich zurück, die Hand auf Beas Arm, die Miene ruhig. Bea nippte an ihrem Tee. Die Aufmerksamkeit auf ihre eigene Tasse gerichtet, erzählte Grace den beiden von allen Anschuldigungen gegen Diccan. Weil sie wusste, wie sehr die beiden ihn liebten, musste sie ihnen alles sagen – selbst das, was sie in der Half Moon Street gesehen hatte. Grace berichtete so nüchtern wie möglich. Als sie geendet hatte, herrschte Schweigen.
Mit einem Mal erwachte Bea zum Leben. »Unsinn!«, stieß die alte Dame hervor und stellte ihre Tasse so heftig ab, dass der Tee überschwappte.
Grace blickte auf und bemerkte, dass ihre Freundinnen weder anklagend noch wütend wirkten, sondern mitfühlend.
»Warum bist du nicht zu uns gekommen?«, fragte Kate und hielt Grace’ kalte Hand.
Plötzlich fing Grace an zu zittern. »Ich sollte nicht mit euch sprechen. Und dann hat Kit mir gesagt, dass gegen Diccan ermittelt werde und dass ich mich raushalten solle. Ich habe beschlossen, dass ich das nicht tun kann.«
Kate drückte Grace’ Hand ein letztes Mal und nahm ihre Teetasse. »Also behauptet ein Mann aus dem Innenministerium, dass Diccan ein Verräter ist, und Braxton – von dem ich vermute, dass er zu Drake’s Rakes gehört – sagt, dass Diccan ein Löwe sein könnte. Bea hat natürlich recht. Das ist alles Unsinn. Gut, Diccan hat seine Geheimnisse. Doch es ist absurd zu glauben, dass er ein Vaterlandsverräter sein könnte.« Kopfschüttelnd griff sie nach einem Stück Mohngebäck. »Nur fürs Protokoll: Das Anwesen seines Onkels ist deshalb in dem schlechten Zustand, weil er ein berühmt-berüchtigter Geizkragen war und sich solche Ausgaben lieber gespart hat. Er hat Diccan eine Menge Geld hinterlassen. Dir ist allerdings nie die Idee gekommen, ihn zu fragen, oder?«
»Warum?«, wollte Grace
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