Lustvolles Erwachen
gehört. Ich weiß allerdings auch, dass sein Onkel nicht so pleite war, wie alle glaubten.«
»Er will, dass du das denkst.«
Sie seufzte und legte behutsam ihre Hand auf seinen Arm. »Onkel Dawes, ich weiß, dass du dich um mich sorgst. Bitte, pass auf dich auf. Tu es für mich. Ich glaube, dass diese Männer skrupellos sind.«
Er reagierte nicht auf ihre liebevolle Geste. Ehe sie ihn um Verzeihung bitten konnte, ritt er davon. Sie blieb mit schwerem Herzen zurück. Sie wollte gerade weiterreiten, als sie bemerkte, dass Mr. Carver ihrem Onkel gefolgt war.
»Er macht sich Sorgen um Sie«, sagte der Mann und ritt auf einem Mietpferd an ihre Seite.
Grace musste ihr Pferd beruhigen, weil es diese Nähe genauso wenig mochte wie sie selbst. »Ich sage Ihnen dasselbe, was ich auch ihm gesagt habe, Mr. Carver«, erklärte sie und wünschte sich, der Mann hätte ein bisschen mehr Abstand zu ihr gehalten. »Ich werde Ihnen nicht helfen.«
Eine ganze Weile saß Carver reglos auf seinem Pferd und blickte sie abschätzend an. Als hätte er eine Entscheidung gefällt, lächelte er. »O doch, das werden Sie«, sagte er selbstzufrieden, als stünde ihre Kapitulation schon von vornherein fest. Er zog ein schmales Etui hervor und reichte ihr eine Karte. »Kontaktieren Sie mich hier.«
Grace warf einen Blick auf die Karte und las seinen Namen und eine Adresse am Lincoln’s Inn Fields. »Warum nicht in Whitehall, Mr. Carver?«
»Das habe ich Ihnen schon erklärt«, erwiderte er und lächelte noch immer. »Es gibt eine undichte Stelle. Ich vertraue niemandem.«
Sie nickte. »Trotzdem liegen Sie falsch – es ist nicht Diccan.«
Er sah zu den Bäumen hoch, als wären seine Worte nicht weiter wichtig. »Doch«, entgegnete er, »seien Sie auf der Hut, Mrs. Hilliard. Sie wissen nicht so viel, wie Sie denken.«
Er tippte sich an die Hutkrempe und ritt davon. Grace blieb mit einem Gefühl der Verunsicherung und einer unauffälligen Visitenkarte in der Hand zurück. Irgendetwas beunruhigte sie.
»Miss Grace«, meldete George sich hinter ihr zu Wort, »wer ist der Mann?«
Grace blickte auf und sah George, der besorgt zu sein schien. »Ein Mann, der für die Regierung arbeitet, George.«
Die Aufmerksamkeit auf den davonreitenden Carver gerichtet, schüttelte er den Kopf. »Ich glaube, ich mag ihn nicht.«
Grace folgte seinem Blick und nickte langsam. »Ich auch nicht, George. Ich auch nicht.« Sie steckte die Karte trotzdem ein, damit sie sie nicht verlor. Sie musste herausfinden, was sie so stutzig machte, so beunruhigte.
Wieder folgte ihr einer dieser ständig wechselnden Beobachter. Dennoch fühlte sie sich kein bisschen sicherer.
»Achten Sie darauf, dass das Haus heute Nacht abgeschlossen ist«, wies sie Roberts an, als sie sich an diesem Abend auf den Weg ins Bett machte. »Im Moment möchte ich keine weiteren Überraschungen erleben.«
Sie erlebte allerdings eine Überraschung … einen Eindringling. Aber es war keiner, den sie erwartet hatte.
Sie wusste nicht, wie lange sie schon geschlafen hatte, als sie etwas hörte. Es war nicht laut, nur ein Flüstern, als wäre Luft verwirbelt worden. Doch mit einem Mal war sie wach und konnte ihr Herz pochen hören. Jemand war bei ihr im Zimmer.
Sie versuchte, so leise wie möglich zu sein, als sie unter ihr Kissen griff und den Mund aufmachte, um zu schreien. Der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Ihre Hand griff ins Leere. Ihre Pistole war verschwunden.
Plötzlich legte sich eine Hand über ihren Mund, und ein Körper lag auf ihr. Ihr Herz wollte in ihrer Brust zerbersten. Sie biss in die Hand. Kräftig. Aber der Eindringling drückte nur noch fester zu. Sie wand sich. Er hielt sie umklammert. Von einem Herzschlag auf den anderen wusste sie, dass die Gefahr noch größer war, als sie gefürchtet hatte. Sie kannte diesen Körper und hatte den Kampf schon aufgegeben, als sie eine wohlvertraute Stimme in ihrem Ohr hörte. »Grace«, murmelte er und klang belustigt, »in meinem Bett scheint ein Affe zu hocken.«
Kapitel 18
»Wo ist meine Pistole?«, fragte sie, als er die Hand von ihrem Mund nahm und über ihre Schulter streichelte.
Sie hätte ihn von sich stoßen sollen. Sie hätte ihn dorthin treten sollen, wo es ihm am meisten wehtat. Stattdessen bog sie den Rücken durch und bot ihm ihren Hals an. Er hauchte einen Kuss knapp unter ihr Ohr und jagte ihr damit wohlige Schauer über den Nacken.
»Ich wollte nicht, dass du mich fälschlicherweise für einen Schurken
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