Lustvolles Erwachen
»Ich glaube, das muss ich wohl sein. Denn sonst hätte ich Ihnen ein paar Vorschläge unterbreitet, wie leicht es ist, Wäschestärke zur Läuterung einzusetzen.«
Sie lächelte. Er erwiderte ihr Lächeln, schwieg jedoch über die Tatsache, dass Diccans Initialen in das Leder von Grace’ Reitgerte eingestanzt waren. Sie erkundigte sich nicht nach Diccans Befinden. Vielleicht später , dachte sie und ging in ihr Zimmer. Wenn sie sich besser fühlte. Im Moment schaffte sie es gerade noch rechtzeitig, zum Nachttopf zu gelangen. Eigentlich wollte sie ins Bett steigen, doch es war zu weit weg, und sie war zu müde. Sie würde einfach einen Moment hier auf dem Boden liegen bleiben.
Diccan war sich nicht sicher, ob er sich noch schlechter fühlen konnte. Er war erschöpft, frustriert und brauchte Rat. Darüber hinaus hatte sich sein Diener gegen ihn gestellt, was bedeutete, dass er in nächster Zeit nichts tragen konnte, das nach einer Krawatte verlangte. Und er hasste gemusterte Halstücher.
Nicht dass er es nicht verstehen würde. Nicht dass er nicht sympathisierte. Biddle schwärmte für Grace. Genau genommen war die gesamte Dienerschaft vernarrt in sie. Verdammt, sogar er verfiel ihr. Aber er hatte diesen verfluchten Vers noch immer nicht gefunden und konnte sich nicht vorstellen, welche Sachen von Minette er noch durchsuchen sollte. Und er wusste nicht, was er noch tun sollte, um sie dazu zu bringen, ihm zu verraten, wo der Vers war. Er war es so verdammt leid, es zu probieren.
» Hier bist du«, hörte er aus Richtung der Tür zum Arbeitszimmer, in das er sich geschlichen hatte.
Natürlich war es Kate, und sie sah nicht gerade erfreut aus. Er konnte nicht einmal die Energie aufbringen, vorsichtig zu sein. »Wie schön, dich zu sehen, Kate. Du siehst so wundervoll aus wie immer.«
Kate rauschte in ihrem lachsfarbenen Morgenrock herein, in dem mehr Federn verarbeitet waren als in seiner Daunendecke. »Ich sehe wütend aus, und das weißt du auch. Wo, zur Hölle, hast du gesteckt? Weißt du nicht, was du da tust?«
Er war so schnell auf den Beinen, dass sie überrascht einen Schritt zurücktrat. »Wage es nicht«, knurrte er und zeigte drohend mit dem Finger auf sie. »Wage es … ja nicht.«
Jeder andere wäre erstarrt und hätte zugehört. Kate schnaubte nur wie ein überhitztes Pferd. »Ich habe meinen Mund gehalten, als du etwas mit dieser Hure angefangen hast«, erklärte sie. »Ich habe nicht einmal etwas gesagt, als Grace alles, was ihr lieb und teuer war, für dich aufgegeben hat.«
»Alles, was ihr lieb und teuer war? Wovon sprichst du?«
Sie legte den Kopf schräg und sah ihn ungläubig an. »Du behauptest, nicht zu wissen, dass sie ihre freiwillige Arbeit im Militärkrankenhaus aufgegeben hat? Oder dass sie viel lieber auf dem Land leben würde?«
»Ich habe ihr gesagt, dass sie auf dem Land leben kann.«
Sie wirkte empört. »Und ich bin mir sicher, dass du ihr auch gesagt hast, dass du sie liebend gern begleiten würdest, nicht wahr?«
Darauf hatte er keine Antwort, und sie wusste es.
»Ich weiß, dass du von Epona erfahren hast. Warum hast du dir die Mühe gemacht, das Pferd herzuholen, wenn du Grace dann so schnell verlassen hast, dass sie sie nicht reiten konnte? Du erlebst nicht, wie sie sich jedes Mal, wenn du sie nicht begleitest, mit den Damen der feinen Gesellschaft auseinandersetzen muss. Sie muss so tun, als würde ihr Ehemann sie nicht öffentlich demütigen, indem er sich mit einer billigen Hure sehen lässt.«
»Kate«, wandte er ein und drehte sich um, »ich bin zu müde, um mich für etwas ausschimpfen zu lassen, an dem ich im Augenblick nichts ändern kann.«
Er hatte das alles nicht gewusst. Nicht wirklich. Er hatte sich bemüht, so zu tun, als wäre alles nur halb so schlimm. Andernfalls hätte er nicht weitermachen können, ein solcher Mistkerl zu sein. Der Schmerz, den er ihr zufügte, hätte dann auch ihn aufgezehrt. Irgendwann hätte er Grace gepackt und wäre, wie sie es sich wünschte, mit ihr aufs Land geflohen, wohin niemand ihnen folgen konnte. Und dann hätte er alles wiedergutgemacht.
Kate seufzte. »Ich nehme nicht an, dass du uns einfach sagen kannst, was hier los ist, nicht wahr?«
»Nichts ist hier los«, stieß er hervor.
In dem Moment erklang eine nüchterne Stimme hinter Kate: »Stiftest du noch mehr Unruhe, Katie?«
Sie wirbelte herum, als hätte der Teufel selbst sie angesprochen. »Ach Harry«, begrüßte sie ihn, »wieso nur habe ich geahnt, dass
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