Lustvolles Erwachen
immer, als sie Grace half, sich im Bett aufzusetzen. »Aber ich werde dir nicht zeigen, wo. So, wie wäre es jetzt mit ein bisschen leckerem Haferschleim?«
Grace stöhnte. »Das, meine liebe Kate, ist ein Widerspruch in sich.«
Konnte sie es wagen zu fragen, wo Diccan steckte? Ob er geblieben war, um an der Hochzeit teilzunehmen? Oder ob er der Sache ein Ende gemacht und sich zu Minette geflüchtet hatte? Sollte sie verraten, wie lebendig ihr die Träume vorgekommen waren, in denen er sie getröstet und gehalten hatte?
»Ich dachte, ich hätte euch über Diccan sprechen hören«, sagte sie.
Kate, die die Kissen in Grace’ Rücken aufschüttelte, wandte den Blick ab. »Oh, du musst dir keine Sorgen um ihn machen.«
Grace runzelte die Stirn. »Das tue ich allerdings. Was ist passiert?«
»Was passiert ist? Du hast seit fünf Tagen nichts gegessen. Und wenn du so, wie du im Moment aussiehst, auf Olivias Hochzeit erscheinst, werden alle denken, dass es ein Leichenschmaus ist. Was kann ich dir bringen?«
Grace brachte ein kleines Lächeln zustande. »Ich nehme nicht an, dass du deinen Brandy bei dir hast?«
Endlich erwiderte Kate ihr Lächeln. »Sei nicht albern.«
Sie griff in ihre Tasche, zog die schmale silberne Flasche hervor und schraubte den Verschluss auf. Grace’ Hand zitterte, doch sie zögerte nicht, die Flasche zu ergreifen und einen großen Schluck zu nehmen. »Ah«, seufzte sie, als das flüssige Feuer ihren Magen erwärmte. »Wenn es etwas gibt, das ich beim Militär gelernt habe, dann, dass es nichts gibt, was mit einem Schluck Brandy nicht gelindert werden könnte.«
Kate lächelte. »Dem kann ich nur zustimmen. Wie wäre es jetzt mit einem Bad und einem frischen Nachthemd?«
Grace wollte mit einem begeisterten Ja antworten, als sie von der Flasche abgelenkt wurde. Sie schraubte sie gerade zu, als ein seltsames klickendes Geräusch ertönte und eines der Seitenteile aufklappte.
»O nein«, rief sie und versuchte, die Seitenteile wieder zusammenzufügen. »Ich glaube, ich habe die Flasche kaputt gemacht.«
Kate lachte. »Habe ich dir das Geheimnis nie verraten?«, fragte sie, nahm die Flasche an sich und teilte die Rückseite.
Die Flasche war nicht kaputt; sie hatte einen Klappdeckel, in dem sich tatsächlich eine Überraschung befand. Es war ein kleines Bild auf Elfenbein. Das Porträt war entzückend und zeigte eine junge rehäugige blonde Schönheit in ziemlich skandalösen Kleidern. Darunter stand eingraviert: Ist die erste Frucht nicht die süßeste, meine Liebe?
Grace starrte auf das Bild. Mit einem Mal war ihr eiskalt. »Ich dachte, du hättest gesagt, es wäre Jacks Flasche gewesen.«
Kate lächelte. »Das stimmt. Olivia hat sie in Waterloo bei ihm gefunden. Er hat sie nicht wiedererkannt, also hat er sie mir überlassen. Ich habe sie ihm nie zurückgegeben.«
Sie deutete auf das Bild. »Und sie?«
Kate beugte sich vor, um einen Blick auf das Bild zu werfen. »Oh, hast du das noch nie gesehen? Das ist Mimi. Jacks französische Geliebte. Du kannst dir vorstellen, was die arme Olivia gedacht hat, als sie das Porträt entdeckt hat. Deshalb habe ich es als einen Akt der Barmherzigkeit betrachtet, die Flasche an mich zu nehmen. Olivia muss nicht daran erinnert werden, dass Jack in den Jahren, in denen sie getrennt waren, nicht enthaltsam gelebt hat. Vor allem, nachdem sich herausgestellt hat, dass Mimi eine Spionin Napoleons war.« Sie lachte leise und wollte auch Grace zum Lachen bringen.
Aber Grace hörte ihr nicht mehr zu. »Das ist nicht ihr Name.«
Kate betrachtete noch einmal das Bild. »Doch, das ist er.«
Grace sah auf und hatte das Gefühl, wieder einmal vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. »Das«, sagte sie und hob die Flasche an, damit Kate das Porträt sehen konnte, »ist Minette. Diccans Geliebte.«
Kate erstarrte. »Bist du dir sicher?«
Grace lachte unfroh auf. »Glaube es mir, Kate, ich kenne jeden Zentimeter von dieser Frau. Glaubst du, dass Diccan es weiß?«
Kate ließ sich auf den Sessel fallen. »Wer weiß? Diese Männer schweigen wie die Gräber.« Sie schüttelte den Kopf. »Grundgütiger. Das ist eine ganz neue Wendung.«
»Was bedeutet das?«, fragte Grace und rieb sich über die Stirn, während sie das gewinnende Lächeln auf dem Bild betrachtete.
Kate seufzte. »Es bedeutet entweder, dass Drake’s Rakes sich die Geliebten teilen, was ich persönlich geschmacklos fände, oder jemand spielt hier ein hinterlistigeres Spielchen, als wir
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