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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
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gewesen war und nun von Henry bewohnt wurde. Es lag neben der
Bibel, beide Bücher hatten Wasserflecken und rochen feucht. Sie waren innen mit
Widmungen in längst verblasster, blauer Tinte versehen, Elaine hatte sie als
Prämie für gute Rechtschreibung bekommen, als sie ein junges Mädchen war.
    Also weiß er, was Henry in solchen Momenten bei ihm auslöst:
Horripilatio.
    Und dasselbe löste auch das Nachschlagen im Wörterbuch bei ihm aus.
    Er dachte darüber nach, wie es die Zeit überdauert und in dem Zimmer
gelegen hatte, schon alt am Tag von Henrys Geburt, noch älter am Tag von
Patricks Geburt. Wie es all jene Jahre in dem Zimmer gelegen hatte und durch
all jene Hände gegangen war.
    Nur Patrick, der Sohn des Mörders, benutzte es, um das richtige Wort
für Gänsehaut nachzuschlagen, bevor er das Buch in den Müll warf. Die
Besitzerin des Buches, einst ein aufgewecktes Kind, lag unter einem
Komposthaufen im Garten, eine halb verweste alte Dame.
    Marcus Dalton ist Architekt, und gegenwärtig dankt er Gott
dafür, dass er sich nicht mit fünfunddreißig entschieden hat, eigene Wege zu
gehen. Er hat den recht langweiligen, aber recht sicheren Job bei einer großen
Firma mit Sitz in Covent Garden behalten.
    Jetzt gerade ist er zu Hause und spielt mit Mia auf der Wii. Sie ist
elf und zockt ihn ab bei Mario Kart .
    Marcus genießt es, abgezockt zu werden. Es erfüllt ihn mit Stolz auf
sie.
    Er hat ehrgeizige Eltern in Parkas und Schals und schlammigen
Gummistiefeln bei Fußballspielen in der Grundschule an den Seitenlinien stehen
sehen; erwachsene Männer und Frauen mit Wahnsinn in den Augen wegen eines
Ballverlusts oder eines ungepfiffenen Fouls bei einem Spiel zwischen
Achtjährigen.
    Marcus hasst das und hasst sie und hasst sich dafür, dass er keine
Freude an den sportlichen Aktivitäten seiner Kinder hat. Er verbringt lieber
auf weniger aktive Weise Zeit mit ihnen. Auf der Wii geschlagen zu werden
entbindet ihn davon, am Rand eines matschigen Fußballfelds, wo er unter keinen
Umständen sein will, beglückwünschen oder trösten zu müssen.
    In der Küche macht Gabriella die Göttliche Popcorn. Gabriella ist
zierlich, Italoamerikanerin, hinreißend. Am Anfang milderte der Spitzname die
Hitze, die von ihrem durchs Haus Schwirren in Hotpants und bauchfreien Tops
erzeugt wurde, ein wenig ab.
    Aber jetzt gehört Gabriella zur Familie. Jegliche aufkeimende Lust,
die Marcus vorübergehend empfunden haben mag, hat sich längst verflüchtigt,
wurde ihm durch feuchte, auf Badezimmerböden zurückgelassene Handtücher
ausgetrieben, dadurch, dass Gabriella zuckersüßen Lo-Fi-Rock in
ohrenbetäubender Lautstärke abspielt, dass Gabriella nie die Milch in den
verdammten Kühlschrank zurückstellt.
    Sie kommt mit einer großen Glasschüssel voll heißem
Mikrowellenpopcorn herein, stellt sie neben sich aufs Sofa.
    Sie sagt: »Wir hatten heute Abend schon wieder einen Anruf.«
    Marcus konzentriert sich auf den Bildschirm. In der zweiten Runde
der Kokos-Promenade lässt er seinen Avatar immer in falscher Richtung die
Rolltreppe hinauffahren. »Doch nicht er schon wieder?«
    »Keine Ahnung. Ich denk schon. Aber diesmal war’s ein Mädchen.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »So bedrohungsmäßiges Zeug.«
    »Was für bedrohungsmäßiges Zeug?«
    »Ich weiß nicht genau. Sie klang besoffen oder so. Vielleicht hat
sie auch geweint.«
    »War das schon wieder dein Freund?«, fragt Mia.
    »Ja«, antwortet Gabriella.
    »Er ist verrückt«, sagt Mia.
    »Stimmt.«
    »Verrückt vor Liiiebe«, fährt Mia fort.
    Marcus schluckt seinen Ärger hinunter. Er wirft Gabriella einen
Blick zu: Lass uns später darüber reden.
    Mia fragt: »Um wie viel Uhr kommt Mum nach Hause?«
    »Sie ist unterwegs«, antwortet Marcus. »Sie bringt KFC mit.«
    »Igitt.«
    »Daniel hat sich das ausgesucht.«
    »Daniel darf immer aussuchen.«
    Sie streckt die Zunge heraus und macht ein Würgegeräusch. Marcus
gibt ihr einen sanften Klaps auf den Hinterkopf und ermahnt sie: »Benimm dich.«
    »Ich benehme mich. Ich will bloß kein KFC. Das ist total fettig, und
da sind überall so Fasern . Ich will Vegetarierin werden.«
    »Sollen wir dir ein Omelett machen?«
    »Spielen wir erst das Level zu Ende«, sagt Mia.
    »Okay. Was willst du in deinem Omelett haben?«
    »Nur Käse.«
    »Wir haben noch guten Speck.«
    »Nee. Nur Käse.«
    »Salat?«
    »Haben wir so kleine Tomaten?«
    » Solche kleine Tomaten. Ich glaube schon.«
    »Dann will ich Salat. Hab ich dir schon

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