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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
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und ein paar
Blätter abreißt. »Gott, John. Warum hast du nichts gesagt ?«
    »Ich hab darauf gewartet, dass du es mir sagst.«
    Sie beißt sich auf die Lippe, wischt den Wein auf.
    Sie lässt die weingetränkten Kleenex-Tücher in den Treteimer fallen
und lehnt sich an die Arbeitsplatte. Sie streicht ihr Haar nach hinten, findet
aber nichts, womit sie es feststecken kann.
    »Scheiße«, sagt sie.
    Luther sitzt auf einem Küchenstuhl, die Ellbogen auf die Knie
gestützt. Er sieht von ihr weg und auf die sich verschränkenden geometrischen
Formen aus Licht und Schatten auf dem Küchenboden, schwarz, weiß, zehn
Schattierungen von grau. »Was ist dann passiert?«
    »Nichts. Ich hab’s verloren.«
    »Warum hast du es mir nicht gesagt?«
    »Was glaubst du denn? Du warst beschäftigt.«
    Er zuckt zusammen unter ihrer unerwarteten Grausamkeit.
    »Es gibt eigentlich nichts zu erzählen«, sagt sie. »Ich war
schwanger, dann habe ich angefangen zu bluten und dann war ich nicht mehr
schwanger. Ich war einen Nachmittag im Krankenhaus. An dem Abend bist du nicht
nach Hause gekommen.«
    »Ich dachte, du hattest einen Abbruch.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Weil du erst schwanger warst und dann nicht mehr. Und weil du es
mir nicht gesagt hast.«
    »Du hast mir keine Gelegenheit dazu gegeben.«
    »Du wolltest doch nie Kinder.«
    »Du auch nicht.« Sie verstummt. »O Gott«, sagt sie. »Der Bär.«
    Sie meint den großen Plüschteddybären, den sie unten in Luthers
Kleiderschrank gefunden hat.
    »Du hast gesagt, er wäre für Rose’ Enkeltochter.«
    »Was hätte ich denn sonst sagen sollen?«, fragt er. »Er ist für das
Baby, das du heimlich abgetrieben hast?«
    »Was hast du damit gemacht?«
    »Ich wusste nicht, was ich damit machen soll. Ich hab ihn zu Oxfam
gebracht.«
    Sie steht da.
    Er sitzt. Beide blicken auf die sich verschränkenden Schatten auf
dem Boden.
    »Gott«, sagt sie. »Was für ein Albtraum.«
    Luther lässt ein hohles Lachen hören.
    Zoe greift nach ihrem Mantel.
    »Wohin gehst du?«, fragt er.
    »Ich weiß nicht. Raus.«
    »Kommst du nachher wieder zurück?«
    »Ich glaube, besser nicht.«
    »Und wo schläfst du dann?«
    »Wahrscheinlich bei meiner Mum.«
    Da ist ein winziges Zucken, eine Falte in ihrem Mundwinkel, und er
denkt, dass sie lügt. Aber er traut seinem Urteil nicht – er ist verärgert und
müde und leer. Er könnte Lügen entdecken, wo keine sind. Und wenn er Zoe jetzt
darauf anspricht, dann wird es, egal wie schlimm es schon sein mag, nur noch
schlimmer werden.
    Er sieht zu, wie sie den Mantel anzieht, und er riecht Zigaretten
und weiß, dass sie nicht zu ihrer Mum oder ihrer Schwester oder einer Freundin
oder zu sonst jemandem geht, den er kennt.
    Mehr als alles andere wünscht er sich, dass Zoe hierbleibt, in
diesem Haus, dem Haus mit der roten Tür, dem Haus mit ihrer beider Namen auf
der Eigentumsurkunde, John und Zoe Luther.
    Wie stolz sie gewesen waren an dem Tag, als sie einzogen. Ihr erstes
richtiges Haus, zu groß nur für sie beide. Die Gegend war ein wenig unsicher,
aber im Kommen, und überhaupt, wen kümmerte das schon? Luther stellte sich oft
vor, wie er als alter Mann in dem Zimmer oben sterben würde – bis dann würde es
eine Bibliothek mit Ledersesseln sein. Und er würde als Erster gehen. Sie würde
eines Morgens mit einem Tee in einer Porzellantasse und ein paar Keksen auf
einem Tablett hereinkommen, und er würde tot in seinem Ledersessel sitzen, mit
einem Buch auf dem Schoß, einem guten Buch, innig geliebt und oft gelesen.
    Und nun schließt sie den Gürtel ihres Mantels, wartet darauf, dass
er sich äußert.
    Er sagt: »Du musst nirgends hingehen.«
    »Wenn ich bleibe, streiten wir.«
    »Pass auf«, sagt er, und er fragt sich, ob sie die Verzweiflung in
seiner Stimme hören kann. »Pass auf«, wiederholt er. »Ich kann mich heute Nacht
sowieso nicht entspannen. Bei all dem, was passiert ist, und während ich auf
einen Anruf warte. Ich werde verrückt, wenn ich hier im Haus rumhänge. Also
bleibst du hier, okay? Du bleibst hier, und ich gehe.«
    Er sieht Enttäuschung in ihren Augen aufflackern. Und ein
schwindelerregendes Taumeln erfasst ihn bei dem Gedanken, dass er sie selbst
jetzt, am schwankenden äußersten Rand ihrer Ehe, noch enttäuscht.
    Sie steht mit zugeknöpftem und gegürtetem Mantel da. Und weil das so
ist, weil sie fertig ist, um zur Tür hinauszugehen, sagt er es noch einmal:
»Ich gehe.«
    Sie nickt einmal langsam. »Okay.«
    Er geht zur

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