Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
Vom Netzwerk:
einem großen, schweren
Vorhängeschloss versehen. Der Mann hängt die Schlaufe der Hundeleine über einen
großen Haken hoch oben an der Wand. Mia muss sich auf die Zehenspitzen stellen,
und das Atmen fällt ihr schwer. Er hat Schwierigkeiten, das Vorhängeschloss zu
öffnen und die rostigen Riegel zurückzuschieben.
    Hinter der Tür befindet sich ein kleines Zimmer. Es ist so ein
Zimmer, mit dem man Mutproben machen würde, wer sich hineintraut, wenn man in
einem solchen Haus mit seinen Freunden und seinem Bruder im Urlaub wäre.
    Es ist nicht so viel kleiner als ihr Zimmer zu Hause, aber es wirkt
viel kleiner, weil es keine Fenster hat. Überall sind Spinnweben, und in den
Spinnweben hängen winzige, vertrocknete schwarze Käferhüllen. Es gibt nur eine
Glühbirne, und die leuchtet so kränklich gelb, dass sie den Raum dunkler, nicht
heller erscheinen lässt.
    Der Mann nimmt die Schlaufe vom Haken und sagt: »Rein mit dir.«
    Sie sagt ihm, sie kann nicht, daraufhin zerrt er an der Würgekette,
bis alles um sie herum rot wird. Dann schiebt er sie sanft hinein.
    Da steht ein niedriges Bett mit einer feuchten, grauen Decke und
einem dünnen Kissen wie dem, auf dem Mia einmal im Frankreichurlaub schlafen
musste, nur dass dieses Kissen keinen Bezug hat, und es ist voll mit großen,
gelben Kreisen, Flecken, die sie an Hautkrankheiten erinnern.
    »Setz dich«, sagt der Mann.
    Sie setzt sich auf den Rand des widerlichen Bettes. Sie bekommt so
heftige Gänsehaut, dass es sich anfühlt, als würde ihre Haut über ihre Knochen
kriechen wie eine Raupe über einen Baum. Sie wagt einen Blick in eine Ecke, und
in der Ecke ist ein kleines Bücherregal, und in dem Bücherregal stehen ein paar
Bücher.
    Es sind Kinderbücher: Winnie Puuh baut ein Haus, Der geheime Garten, Ein Tiger kommt zum
Tee. Die Bücher sind sehr alt und haben Eselsohren, und ein paar
Seiten sind lose. Als sie die Bücher sieht, steigt Panik in ihr auf. Sie wirft
einen Blick zur offenen Tür und macht eine Bewegung, und der Mann gibt ihr eine
Ohrfeige.
    Sie bleibt auf der Bettkante sitzen. Sie kann nicht sprechen.
    Der Mann geht in die Hocke. Er kommt mit seinem Gesicht ganz nah an
ihres heran. Sie kann seinen Atem riechen. Er fragt: »Hast du Hunger?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Durst?«
    Sie nickt.
    »Ich hol dir gleich Wasser. Okay?«
    Sie nickt.
    »Pass auf. Ich weiß, dass du jetzt Angst hast. Die letzte Nacht war
für uns alle sehr aufregend, nicht wahr?«
    Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Sie antwortet: »Das stimmt.«
    »Braves Mädchen«, sagt er. »Ich weiß, das hier ist nicht das
hübscheste Zimmer der Welt, aber du wirst dich bald daran gewöhnen.«
    Mia schluckt. Ihre Kehle ist trocken. Mit zittriger Stimme fragt
sie: »Was meinen Sie damit?«
    »Na ja. Das ist jetzt dein Zuhause.«
    »Ich will nicht, dass das mein Zuhause ist.«
    »Ich verstehe, wie du dich jetzt fühlst«, sagt der Mann. »Und du
wirst dich noch ein Weilchen so fühlen. Aber das wird sich bald ändern, und
dann wird es dir hier gefallen. Und sobald es dir ein kleines bisschen gefällt,
darfst du nach oben kommen, ein wenig fernsehen. Magst du fernsehen?«
    »Ja«, antwortet Mia.
    »Gut«, sagt der Mann. Dann sieht er sie so an, als hätte er sie lieb
und wäre froh, dass sie zu Hause ist. Davon macht sie sich noch einmal nass.
Der dunkle Fleck breitet sich über die ganze Decke aus.
    »Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagt der Mann. »Das trocknet
bald.«
    Er schließt die Tür und Mia hört, wie der Riegel quietschend
vorgeschoben wird.
    Sie sitzt still da, hält sich an der Bettkante fest. Sie hat zu viel
Angst, um sich zu bewegen. Sie kann nicht einmal denken. Als sie den Kopf
dreht, sieht sie das Bücherregal in der Ecke, und seine Bedeutung schwillt in
ihr an, bis der Gedanke zu groß für ihren Kopf ist.
    Eine Stunde später, oder fünf Minuten, kommt er zurück. Sie hört,
wie die Tür unter der Treppe aufgeht, seine Schritte auf den Betonstufen. Dann
das fürchterliche Kreischen des rostigen Riegels und der Türangel, und er steht
in der Tür.
    In einer Hand hält er einen Eimer.
    Er reicht ihn ihr. Er sagt: »Da kannst du dein Geschäft rein machen.
Aber wenn du genau hinguckst, findest du ein Geschenk darin.«
    Sie starrt in den blauen Plastikeimer. Darin sitzt ein winziges Kaninchen.
Es zittert. Sie greift hinein, um es hochzuheben. Es dreht sich im Eimer herum
und beißt sie in den Finger.
    Sie zieht ihn schnell zurück. Sie mustert das Kaninchenbaby,

Weitere Kostenlose Bücher