Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
Vom Netzwerk:
versuchte er ein Lächeln und warf einen Blick auf das
    kleine Antennengerät, dessen technologische Funktionsweise ihm ein
    völliges Rätsel war. »Stets misstrauisch, mein lieber Marc.« Leo hatte in den letzten Monaten immerhin herausgefunden, dass Ciban ein klein
    wenig auftaute, wenn er ihn mit Vornamen anredete.
    »Misstrauen gehört zu meiner Stellenbeschreibung, Heiligkeit«,
    antwortete der Kardinal, wobei der Blick seiner grauen Augen gelassen
    auf dem Störsender ruhte.
    Der Papst hatte sich oft gefragt, was sein Vorgänger Innozenz in einem
    so strengen, kühlen und gebieterischen Geist wie Ciban wohl gesehen
    haben mochte, dass er ihn sogar in den Kreis seiner engsten Vertrauten
    aufgenommen hatte. Nach fast zwei Jahren, nach etlichen Sitzungen und
    gemeinsamen Mahlzeiten kannte Leo diesen Mann noch immer nicht
    besonders gut. Jedenfalls nicht so gut, wie Innozenz ihn wohl gekannt
    hatte. Selbst jetzt, in der schlichten Priestersoutane – Ciban trug nur
    selten die Kardinalsrobe – wirkte er einschüchternd, ja bedrohlich, als
    besäße er die Gabe, die Insignien seiner hohen Geburt, seiner eminenten
    Persönlichkeit und der damit verbundenen Macht wie ein unsichtbares
    und doch für alle wahrnehmbares Fanal vor sich herzutragen. Leo
    wünschte sich, sein Vorgänger hätte ihm mehr über Ciban erzählt oder
    sie beide zumindest besser miteinander bekannt gemacht, bevor sich die
    Ereignisse mit Innozenz’ Tod überschlugen.
    So war Leo mit seinem Amtsbeginn lediglich die offizielle Personalakte
    geblieben, um sich etwas genauer über den Kardinal zu informieren.
    Doch was sagte eine Personalakte schon über das wahre Wesen eines
    Menschen aus? Ciban war Anfang fünfzig und damit der jüngste und
    wohl ehrgeizigste Kardinal im Kollegium. Geboren am 7. Februar in
    Rom, Augenfarbe graublau, Körpergröße: 194 Zentimeter,
    Körpergewicht: 86 Kilogramm. Danach folgte der gesellschaftliche
    Status des Elternhauses – oder der Name des Waisenhauses, je nachdem.
    Der Clan der Cibans gehörte jedenfalls zu den reichsten Familien
    Europas. Hinzu kamen die schulische Ausbildung, das Studium und die
    berufliche Karriere. So hatte er in Rom, Paris, Tübingen und London
    studiert. Promotion zum Dr. theol. sowie zum Dr. phil. Außerdem ein
    Abschluss – und das hatte Leo wirklich erstaunt – in Astrophysik. Das
    alles mit ›summa cum laude‹.
    Das der Personalakte beigelegte psychologische Profil war in den Augen
    des Papstes ein reiner Witz gewesen. Entweder war es total veraltet oder zusammengestückelt aus unterschiedlichen psychologischen
    Allgemeinplätzen und Dossiers, oder aber Ciban hatte die Psychologen
    allesamt ausgetrickst. So gehörte Gehorsam, nach Leos Eindruck, nur
    dann zu Cibans Tugenden, wenn dieser darin einen Vorteil für die Kirche
    sah. Auch gab es einige weiße Flecken in seiner beruflichen Laufbahn,
    Flecken, die lediglich mit dem Vermerk »Dienstreise« versehen waren.
    Inzwischen wusste Leo, dass dieser Begriff in Cibans Fall eine aktive
    Mitarbeit im Vatikanischen Geheimdienst verschleierte. Unter Innozenz,
    ebenso wie vor seiner Zeit in der Glaubenskongregation, war der
    Kardinal des Öfteren auf »Dienstreise« gewesen.
    Leo bedachte Ciban mit einem unauffälligen Blick. Dass Misstrauen zu
    seiner Stellenbeschreibung gehörte, traf in der Tat sowohl auf seine
    Arbeit als auch auf seine Persönlichkeit zu.
    Sie aßen frische Brötchen, Eier mit Schinken und tranken dazu Kaffee,
    Tee und frisch gepressten Orangensaft, während sie über die aktuellen
    Geschehnisse in der Welt und ihre Bedeutung für die katholische Kirche
    sprachen. Dabei kamen sie auch auf Schwester Catherine Bell zu
    sprechen, deren neuestes kirchenkritisches Buch gerade erschienen war
    und, wie Leo nun erfuhr, in der International Herald Tribune ausgiebig und sehr positiv besprochen war, einschließlich eines begleitenden
    Artikels über die prominente katholische Autorin.
    Ein Foto zeigte Schwester Catherine vor einem historischen Gebäude in
    Jerusalem. Sie trug ein schwarzes, langes Kostüm und blickte mit einem
    geradezu entwaffnend offenen Lächeln in die Kamera.
    »Vielleicht wären ihre Bücher weit weniger erfolgreich, wäre sie nicht so attraktiv«, hatte einer der älteren Kardinäle einmal mit einem süffisanten Lächeln im Beisein Leos zu Ciban gemeint. Der hatte nicht darauf
    geantwortet, doch sein Blick hatte jede weitere Bemerkung des Älteren
    in dieser Richtung im Keim erstickt.
    Gegen Schwester

Weitere Kostenlose Bücher