Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Catherine lief seit Jahren ein Verfahren, das noch unter Papst Innozenz und Cibans Vorgänger Monti begonnen hatte. Leo hatte
schon als Kardinal mehr Sympathie für die kluge, couragierte Nonne
empfunden als für Innozenz, Monti und die Gerichtshöfe der Inquisition,
daher stand Catherine seit der letzten Papstwahl, soweit es ging, unter
seiner Protektion. Zugegeben, dies hatte nicht gerade dazu beigetragen
ein freundschaftlicheres Verhältnis zu Ciban aufzubauen, doch wie es
aussah, war der Präfekt Profi genug, um ihre Arbeitsbeziehung nicht darunter leiden zu lassen.
Schließlich fragte Massini in die kleine Runde: »Gibt es etwas Neues
über den Tod von Pater Darius?« Als Leos Vertrauter war er zumindest
über die Morde informiert.
»Nein«, antwortete der Kardinal knapp.
Wenn Leo etwas als unbehaglich empfand, dann war es die
unangemessene Distanz, mit der Ciban Massini begegnete. Leo, der
Massini auf den Rat von Innozenz als ersten Privatsekretär übernommen
hatte, sah keinen Grund für diesen kühlen Umgangston. Der Mann war
nicht nur ein sympathischer Mensch, er leistete auch hervorragende
Arbeit und begegnete Ciban stets mit großem Respekt, ohne dabei
unterwürfig zu sein.
»Keinen Hinweis? Nicht den geringsten?«, hakte Massini nach, als
nähme er Cibans Reserviertheit gar nicht wahr.
Der Kardinal starrte den Jüngeren an. Gerade als Leo eingreifen wollte,
erklärte er: »Nun denn, die üblichen Verdächtigen scheiden aus.
Extremisten, die Mafia, unsere Freunde die Freimaurer, das Direktorat,
der Rat, die Liga, das Syndikat, die Allianz, das Opus Dei … Es gibt
keinen einzigen Hinweis darauf, dass auch nur eine dieser
Gruppierungen etwas mit den Morden zu tun hat.«
Das ›Opus Dei‹, klang es in Leos Gehirnwindungen nach. Zu Beginn
seines Pontifikats hatte er sich gefragt, ob Ciban möglicherweise
Mitglied des ultrakonservativen katholischen Bundes war. Doch dann
hatte er von einem bedeutenden Prälaten im Kirchenstaat erfahren, dass das Verhältnis zwischen dem Kardinal und dem Opus nicht gerade
freundschaftlich zu nennen war. So hatte das Opus über viele Jahre
hinweg um Cibans Mitgliedschaft geworben, der stattdessen mit
Ermittlungen gegen den Orden begonnen und sich mit seinem Vorgänger
angelegt hatte. Der greise, machthungrige Kurienkardinal Sergio Monti,
ein unverbesserlicher Erztraditionalist, stand in dem Ruf, seine Gegner
mit Haut und Haaren zu verschlingen. Dass Ciban Monti die Stirn
geboten und dabei auch noch triumphiert hatte, gefiel Leo, zumal es das
Schicksal so wollte, dass der ältere Kardinal, der unter Innozenz’
Pontifikat beinahe zwei Jahrzehnte Großinquisitor gewesen war, auch zu
Leos ärgsten Gegnern zählte.
Der bedeutende Prälat war in seiner Bemerkung über Ciban sogar noch
einen Schritt weiter gegangen, wohl weil er die Zweifel des Papstes
gespürt hatte.
»Kardinal Ciban und ich sind zwar nicht die besten Freunde, Heiligkeit,
aber ich würde ihm mein Leben anvertrauen. Und das kann ich wahrlich
nicht von vielen meiner Kollegen behaupten. In Ihren Augen mag er ein
extrem konservativer und verschlossener Mann sein, Sie müssen jedoch
wissen, dass er sehr wohl in der Lage ist, über den eigenen Tellerrand
hinauszuschauen und auch danach zu handeln, wenn es erforderlich ist.
Genau das haben einige Kardinäle, unter ihnen auch Signor Monti, viel
zu spät erkannt.«
Unterdrückte Feindseligkeit ging jedoch nicht nur von Kardinal Monti,
sondern seit dem letzten Konklave auch von Steffano Kardinal
Gasperetti aus, dem Vorsitzenden der Kongregation für die Bischöfe, der
unter dem Auge der Glaubenskongregation auch dem Lux Domini
vorstand, wobei Gasperetti wesentlich subtiler vorging als Monti.
Das Lux Domini glaubte an den jungen Geist eines progressiven Papstes,
wie Leo einer war, und hoffte auf eine angemessene Umgestaltung der
Kirche im dritten Jahrtausend. Leo hätte zu gerne einmal einen Blick auf die Mitgliedschaftslisten des Ordens geworfen, doch das Lux führte
seine Listen ebenso diskret wie das Opus. In jedem Fall hatte der Orden
in den knapp zwanzig Jahren seines offiziellen Bestehens auf subtile
Weise an einigen äußerst sensiblen Schräubchen innerhalb der
katholischen Glaubensgemeinschaft gedreht. Die Nachwirkungen ließen
durchaus darauf schließen, dass seine Mitglieder sich in den höchsten
Rängen des Klerus sowie der katholischen Laienwelt bewegten. Mit
anderen Worten, beide Organisationen
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