Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
der
Bodenmatte nicht einmal einen Schlüssel zu einem Bank- oder
Postschließfach oder auch nur den Fetzen irgendeiner Korrespondenz.
Selbst der Briefkasten, den die Wache draußen noch rasch unter die Lupe
genommen hatte, war leer.
Wären die Soutanen, Anzüge und die restliche Wäsche in den Schränken
nicht gewesen oder das Geschirr im Küchenschrank, es wäre dem
Kommandanten vorgekommen, als ob ein Geist dieses Appartement
bewohnte. Selbst das Bett war so stramm bezogen, als hätte es nie
jemand auch nur berührt.
Dann fiel Coelhos Blick im Wohnzimmer noch einmal auf die Bibliothek
und damit auch auf die antiquarische Ausgabe von Peyrefittes Die
Schlüssel von Sankt Peter . Er zog das Buch aus dem Regal und stutzte.
Für seine Größe war es viel zu leicht.
Als er das Buch öffnete, fiel etwas heraus. Der Buchblock war fein
säuberlich ausgehöhlt. Verblüfft blickte der Kommandant der Vigilanza
auf ein Handy, dessen Marke ihm gänzlich unbekannt war.
Er bückte sich, hob das Telefon auf und überprüfte den Speicher. Nichts.
Bis auf zwei Nummern war er leer. Coelho legte das Handy in das Buch
zurück und steckte den Fund ein, als einer seiner Mitarbeiter bleich wie ein Leintuch mit einer flachen Blechdose ins Wohnzimmer kam.
»Das hier habe ich unter einem knarrenden Dielenbrett im Flur
gefunden.«
Coelho nahm die Blechdose entgegen, öffnete sie und blickte auf etliche
Fingerknochen.
»Sieht aus, als hätte man die gründlich ausgekocht, bevor sie in der
Blechschachtel gelandet sind«, sagte der jüngere Vatikanpolizist mit
gedämpfter Stimme.
Der Kommandant klappte die Blechdose wieder zu und ließ sich seinen
Ekel nicht anmerken. »Bringen Sie das und dieses Buch hier zu Kardinal
Ciban, Jean.« Er packte beides in eine Plastiktüte und telefonierte kurz mit dem Kardinal.
Jean machte sich auf den Weg, während Coelho mit dem anderen
Vigilanzapolizisten deRossis Wohnung im Auge behielt. Der Himmel
wurde grau und düster. Mit etwas Glück, dachte Coelho, würde Jean
noch vor dem angekündigten Regen im Palast der Inquisition
ankommen.
76.
Der Meister streifte die kostbare Soutane über und blickte aus dem
Fenster seines Büros. Dunkle Wolken zogen über Rom und beschatteten
die Kuppel des Petersdoms. Es würde eine stürmische und regnerische
Nacht werden, und das nicht nur in einer Hinsicht. Wie es aussah, hatte
dieser Narr Benelli ihn tatsächlich noch einmal über seinen Tod hinaus
herausgefordert, weil er sich moralisch für besser hielt. Nun würde diese Catherine Bell eben dafür den Preis bezahlen. Zum Teufel mit Alberto
Kardinal Benelli und seiner ganzen verdammten Ketzerbrut. Wenn er
geglaubt hatte, Leos irrwitzige, modernistische Politik dadurch zu
erhalten, hatte er sich gründlich getäuscht. Schon das zweite, von
Johannes XXIII. einberufene Konzil hatte mehr als genug Unheil
angerichtet.
Der Meister warf einen Blick auf die Uhr. Nur noch wenige Minuten.
Wie nahe er doch daran gewesen war, selbst Papst zu werden. Doch
Benelli hatte sich ihm im Konklave massiv, und ohne dass die anderen
Kardinalelektoren es mitbekommen hätten, entgegengestellt. Der Meister
war sich sicher, Benellis heimliche Kampagne gegen ihn hatte
letztendlich seine Niederlage herbeigeführt. Natürlich musste sein
Widersacher Verbündete gehabt haben, und dabei tippte der Meister auf
niemanden Geringeren als Ciban.
Das Unglaubliche war jedoch, dass es nicht den geringsten Hinweis
darauf gab, dass Benelli und der Präfekt freundschaftlich oder politisch miteinander verbandelt gewesen waren und ihn hintergangen hatten. Es
hatte nichts gegeben, was den Verdacht des Meisters auch nur im Ansatz
hätte erhärten können. Selbst im Domus Sanctae Marthae, jenem Haus
auf dem Vatikangelände, das die Kardinäle während des Konklaves
beherbergte, hatte sich im Hinblick auf Benellis und Cibans Kontakt
nichts Verdächtiges offenbart. Die beiden Männer waren während der
Papstwahl ihrer Wege gegangen, als hätten sie nicht mehr miteinander zu
tun als mit den anderen Kardinälen. Alleine das machte sie für den
Meister im Nachhinein erst recht verdächtig. Im Grunde waren sie die
einzigen beiden Männer, die es überhaupt gewagt hatten, ihm die Stirn
zu bieten. Nur vereint hatten ihre Kräfte für den Meister im letzten
Konklave ein unüberwindliches Hindernis darstellen können.
Dabei hatte es zu Beginn der Wahl so gut für ihn ausgesehen.
Dreiunddreißig der
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