Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
leer.
Dann hörte sie ein leises Hüsteln – und Schritte.
»Catherine?«
Eindeutig Bens Stimme, wenn sie auch etwas belegt und erkältet klang.
Er trug wegen des Regens ein Kapuzengewand, weswegen sie sein
Gesicht nicht erkennen konnte.
»Wirst du noch immer von deinen Visionen heimgesucht?«, fragte er.
Seine Stimme klang freundlich und doch irgendwie – lauernd? Warum
fragte er das? Hing es etwa mit Theas Ermordung zusammen?
»Es sind nicht nur Prophezeiungen, sondern auch Erinnerungen.« Ein
unerklärliches Frösteln lief über ihre Haut. »Wie kann ich dir helfen?«
Ben trat einen Schritt näher und hob die Plane über der Grotta an. Noch
immer konnte Catherine sein Gesicht nicht erkennen. »Thea hat eine
Nachricht für dich hinterlassen.«
»Eine Nachricht – für mich?« Sie beugte sich vor, als sie plötzlich den
Einstich einer Nadel an ihrem Hals spürte. Dann sah sie das Gesicht
unter der Kapuze. Die Narbe über dem einen Auge.
78.
Kardinal Ciban streifte ein paar Latexhandschuhe über, öffnete das
Buch, das sie in deRossis Appartement gefunden hatten, und nahm das
Handy heraus. Auf dem Tisch lagen noch immer die Tatortfotos sowie
die DVD mit dem Film. Der Präfekt schaltete das Handy ein und sah den
Speicher durch. Die erste Nummer war deRossis Festnetzanschluss, so
viel hatte die Vigilanza schon herausgefunden, die zweite wurde gerade
überprüft.
Ben zuckte zusammen, als er die zweite Rufnummer im Speicher von
deRossis Handy sah. »Gütiger Gott im Himmel! Das ist Catherines
Anschluss!«, entfuhr es ihm.
»Sind Sie sicher?«
Bildete Ben es sich nur ein, oder hatte er da soeben mehr als nur die
bloße Sorge um eine Vatikan-Mitarbeiterin in der Stimme Cibans
gehört?
Er holte sein eigenes Handy hervor und schaute im Speicher nach, um
die Nummern noch einmal miteinander zu vergleichen. Kein Zweifel!
Der letzte Anruf mit deRossis Handy hatte Catherine gegolten. Ben
wählte über die Kurzwahltaste ihre Nummer, doch niemand meldete
sich.
»Verdammt! Ich muss sofort in den Apostolischen Palast!«
Ciban packte Ben am Arm, als dieser schon loslaufen wollte. »Warten
Sie. Catherine und ich hatten eine Vereinbarung. Sie hätte den Palast
nicht verlassen, ohne mich oder Seine Heiligkeit vorher darüber in
Kenntnis zu setzen.« Der Kardinal ging zu seinem Schreibtisch, hob den
Hörer des Telefons ab und wählte eine interne vatikanische Nummer.
»Heiligkeit, ich fürchte, wir haben ein Problem.« Er aktivierte die
Konferenzschaltung, so dass Ben mithören konnte.
»Worum handelt es sich, Eminenz?«
»Schwester Catherine. Wir können sie über ihr Handy nicht erreichen.«
Einen Augenblick herrschte völlige Stille in der Leitung. Dann sagte der Papst vorsichtig: »Soweit ich weiß, hat Schwester Catherine gerade eben
mit Monsignore Hawlett telefoniert und ist nun auf dem Weg zu ihm.«
»Monsignore Hawlett hat nicht mit Schwester Catherine telefoniert,
Heiligkeit.«
»Wie bitte?«
»Wo wollte sie sich mit ihm treffen?«
Der Papst zögerte. »Wenn Schwester Catherine nicht mit Monsignore
Hawlett gesprochen hat, wer sagt mir dann, dass ich wirklich mit Ihnen
telefoniere, Eminenz?«
»Ich habe Ihre Geheimnummer, Heiligkeit.«
»Na und? – Der Mörder hat die Namen und Adressen der Apostel. Da
dürfte das Herausfinden meiner Privatnummer eine Kleinigkeit für ihn
sein.«
Ciban seufzte, dann identifizierte er sich, in dem er Leo das Stichwort zu einer sehr persönlichen Beichte lieferte, wie Ben vermutete.
»Schwester Catherine hat mir erklärt, dass sie den Monsignore an der
Grotta di Lourdes treffen wird«, sagte der Papst schließlich.
»An der Grotta di Lourdes?«, wiederholte Ciban ungläubig.
»Das hat Schwester Catherine mir zumindest gesagt. Gütiger Gott, nun
beeilen Sie sich!«
Der Präfekt hatte den Hörer kaum aufgelegt, als Ben auch schon so gut
wie aus dem Büro war. Ben hörte gerade noch, wie Ciban ihm
hinterherrief: »Verdammt, Ben, dort wird sie schon längst nicht mehr
sein!«
Aber das war ihm egal. Er musste etwas tun. Er musste Catherine finden.
Unbedingt. Bevor es zu spät war.
79.
Ben rannte, als hinge sein eigenes Leben davon ab. Als er bei der Grotta di Lourdes ankam, war er nass bis auf die Knochen. Er stand vor der
großen, bogenförmigen Nachbildung der Höhle mit der Marienstatue und
blickte sich um, während der Regen auf den Boden und die Planen
peitschte. Zur Sicherheit sah er auch unter den Planen nach, doch
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