Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
altes Foto. Die Aufnahme zeigte ihn selbst
als zwölfjährigen, ernsthaften Jungen, Darius, der unbeschwert in die
Kamera lächelte, und eine freudestrahlende Catherine Bell. Ben erinnerte sich noch genau an den Tag. Sie hatten einen Ausflug zum Sears Tower
gemacht. Catherine hatte die atemberaubende Aussicht über Chicago
vom einhundertdritten Stock genossen, während er mit seinem
rebellierenden Magen gekämpft hatte. Wenn er genauer hinsah, war er
auf dem Foto tatsächlich noch etwas grün im Gesicht.
Ben fragte sich, ob vielleicht mehr hinter der Forschungsarbeit des Paters im Institut gesteckt haben konnte, als er vermutete. Doch warum hatte
Darius sich dann im letzten Jahrzehnt so oft in Rom aufgehalten?
Vorsichtig schlug er die Bibel zu und steckte sie ein. Sie war das einzige Andenken, das ihm, außer seinen Erinnerungen, von Darius geblieben
war. Nachdem er die Zelle verlassen hatte, hatte er in der Abtei noch ein paar Fragen gestellt. Fragen, die den Abt aber nicht mehr weiter erstaunt hatten. Nein, keiner der Mönche hatte am Tag des Unfalls, ebenso wenig
einen Tag davor oder danach, einen Fremden in dieser Gegend gesehen,
obwohl … Dominikus hatte kurz gestutzt. Hatte sich nicht Bruder
Johannes am Tag des Unfalls über eine frische Ölspur unweit des
Klosters beschwert?
Wie sich herausstellte, hatte Bruder Johannes am Tag des Unfalls
tatsächlich eine verdächtige Ölspur im Wald gesehen und die
dazugehörigen Abdrücke eines Reifenpaars. Wie Johannes weiter
meinte, hatten die Reifen aufgrund ihrer Größe ganz sicher zu einem
Geländewagen gehört, der dem ähnlich war, den Ben gemietet hatte.
Ben hatte es nicht fassen können. Eine erste Spur!
Zwei Stunden später, wieder in München, hatte er über den deutschen
BND-Mitarbeiter Ralf Porter, einer von Kardinal Cibans Quellen, eine
Liste mit allen Geländefahrzeugen organisiert, die am Tag des Unfalls in München gemietet worden waren. Die Liste war mit fünf Fahrzeugen
erstaunlich kurz und führte nach Porters Recherche zu dem Ergebnis,
dass die Ausweispapiere eines Kunden gefälscht waren.
»Wir müssen uns das entsprechende Überwachungsvideo ansehen«,
forderte Porter von dem Angestellten der Mietwagenfirma direkt am
Flughafen. Mit seiner korrekten Frisur, dem blonden Haar, der kantigen
Brille und dem schwarzen Anzug erinnerte er an einen FBI-Agenten aus
den Sechzigern.
Der Mann, von Porters Agentenausweis und Auftreten zutiefst
beeindruckt, bat einen seiner Kollegen, ihn an der Rezeption zu
vertreten, und führte Ben und Porter dann in einen kleinen, fensterlosen Nebenraum. Dort war nicht nur der technische Kern der
optisch-elektronischen Überwachungsanlage installiert, sondern es
wurden auch sämtliche DVDs aufbewahrt. Das Ganze sah aus wie ein
unbesetzter Kontrollraum. Der Angestellte zog zwei der chronologisch
gelagerten Tapes aus dem Regal und legte eines in das Abspielgerät.
»Das müssten sie sein. Einmal von der Rezeption und dann die
Aufnahme von Außenkamera Zwei draußen auf dem Parkdeck.«
»Der Wagen wurde noch nicht zurückgebracht?«
Der Angestellte schüttelte den Kopf. »Er ist für eine volle Woche
gemietet.«
»Was ist mit GPS?«
»Unsere Geländewagen sind noch nicht damit ausgerüstet.«
»Danke«, sagte Porter. »Wir wollen Sie nicht länger von Ihrer Arbeit
abhalten.«
»Das tun Sie nicht«, antwortete der Mann seelenruhig und wartete
gespannt darauf, was die Tapes wohl zeigen mochten.
»Wenn Sie uns nun bitte alleine lassen würden«, bat Porter höflich, aber bestimmt.
Der Angestellte begriff, wechselte einen kurzen Blick mit Ben und
räusperte sich peinlich berührt. »Oh ja. Natürlich. Wenn Sie noch Fragen haben … Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«
Ben setzte den ersten der beiden Rekorder in Gang. Das Bild war
gestochen scharf. Endlich mal eine Firma, die in die Aufnahmequalität
ihres Überwachungssystems investierte und nicht nur auf die
abschreckende Wirkung der Kameras setzte. Er spulte das Band zu der
Stelle vor, als der Geländewagen gemietet worden war. Kurz darauf
zeigte die Aufnahme den Mann mit den gefälschten Papieren, wie er das
Büro betrat, sich der Rezeption näherte und ein paar Worte mit dem
Angestellten wechselte, um das Geschäft zu regeln. Schlagartig
verschlechterte sich die Aufnahmequalität.
»Wie ärgerlich, er benutzt ein Störgerät«, erklärte Porter.
Aber das war nicht das einzige Problem. Ben seufzte. Der Unbekannte
trug
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