Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
allemal von Nutzen sein, sofern der jüngere Kardinal einen
Fehler beging.
Der Meister schenkte deRossi und sich noch ein Glas Wein nach. Die
Sonne war längst hinter den Dächern Roms verschwunden, und die
Lichter der Stadt wirkten wie ein auf dem Boden verankertes
Sternenmeer. Der Meister würde nicht zulassen, dass Leo und diese
teuflische Kongregation die jahrtausendealte Macht der Kirche
zerstörten.
54.
Ben kam mitten in der Nacht in Rom an. Die fünfzigminütige Taxifahrt
vom Flughafen Leonardo da Vinci zu seiner Wohnung war eine triste
Endlosschleife, vorbei an immer demselben kargen Ödland, bis kurz vor
der Stadt. Als er sein Zuhause betrat, stellte er die Reisetasche einfach im Flur ab und fiel dann wie tot ins Bett. Vier Stunden später klingelte der Wecker und riss ihn mitten aus dem Schlaf. Um einen klaren Kopf zu
bekommen, stellte er die Kaffeemaschine für einen extra starken Kaffee
an, duschte kalt und zog eine frische Soutane über. Beim Kaffeetrinken
verbrannte er sich glatt die Zunge. Er fluchte, nicht gerade christlich, doch das war ihm in diesem Augenblick egal, auch wenn er sich
reflexartig bekreuzigte.
Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, öffnete die mittlere Schublade und holte Darius’ Bibel hervor, um sie neben die von Silvia zu legen.
Tatsächlich waren die beiden Exemplare identisch, stammten sogar aus
demselben Jahr. Veröffentlicht hatte die Bücher ein amerikanischer
Verlag.
Ben verglich noch einmal die jeweiligen Markierungen in der
Apostelgeschichte des Lukas. Er hatte sich nicht getäuscht: Die
Unterstreichungen waren tatsächlich identisch. Er versuchte einen Code,
eine Botschaft darin zu erkennen, in dem er nur jene Buchstaben oder
Wörter las, die in einem bestimmten Intervall auftauchten. Vergebens.
Dann fragte er sich, ob die Zitate selbst eine tiefere Bedeutung hatten, unabhängig vom normalen Textzusammenhang. Er nahm einige der
markierten Zitate und googelte danach. Aber auch das erbrachte nichts,
außer etlichen Querverweisen zu den entsprechenden Bibelstellen und
Links zu unzähligen ominösen Forenbeiträgen.
Schließlich erinnerte er sich an jenes Treffen mit Ciban, als dieser ihm verboten hatte, in dem Mordfall weiter zu ermitteln. »Haben Sie in der
Habe von Pater Darius irgendetwas Ungewöhnliches entdeckt?«, hatte
der Kardinal damals gefragt. Ben hatte verneint, doch nun war er sich
sicher, dass Ciban damit tatsächlich Darius’ Bibel gemeint haben musste.
Er musste so schnell wie möglich mit Catherine sprechen, denn wenn der
Präfekt von den beiden Bibeln erfuhr, würde er ihn erneut von dem Fall
abziehen. Irgendwie steckte das Lux Domini hier in einer teuflischen
Sache, wenn es nicht sogar der Verursacher war. Und Ciban schien das
Lux zu decken.
Ben schnappte seine Aktentasche mit dem Bericht für den Kardinal und
machte sich auf den Weg zum Vatikan. Eine Viertelstunde später betrat
er den Sitz der Glaubenskongregation, eilte die abgetretene Treppe zum
Flur hinauf, wo sich Cibans Büro befand, und traf dort im Vorzimmer
auf Rinaldo.
»Sie haben kein Glück, Pater«, sagte der junge Mann kopfschüttelnd.
»Seine Eminenz ist schon den ganzen Morgen unterwegs. Jetzt ist er
beim Essen mit Seiner Heiligkeit.«
»Wann wird er zurück sein?«
»Das hat er nicht gesagt. Es klang nach einem außerordentlichen
Treffen.«
Ben blickte auf Rinaldos rechte Hand, auf den Umschlag, den er hielt.
»Jetzt sagen Sie nicht, das ist derselbe Umschlag, den Sie schon vor ein paar Tagen mit sich herumgetragen haben.«
Der junge Priester grinste schief. »Wenn dem so wäre, mein werter
Kollege, hätte Seine Eminenz mich längst gefeuert. Hat man Sie
hierherbeordert?«
»Eigentlich ja. Ich werde es später noch einmal versuchen.«
Rinaldo nickte. »Ich muss zurück ins Archiv. Viel Glück.«
Als Ben sein eigenes Büro betrat, öffnete er zuerst die Fenster. Er hatte das Gefühl zu ersticken, wenn er nicht augenblicklich frische Luft
hineinließ, egal wie schlecht die römische Luft in Wahrheit war. Er
stellte die Aktentasche hinter den Schreibtisch und fuhr den Rechner
hoch, um seine Mails abzurufen.
Von Ciban war keine einzige Nachricht dabei. Auch keine kodierte. Für
besondere Mitteilungen verfügte die moderne Inquisition über ein
Chiffrierprogramm, das absolut nicht zu knacken war. Nachdem Ben die
wichtigsten E-Mails gelesen und beantwortet hatte, ging er rasch bei
seinem Internet-Provider seine dort
Weitere Kostenlose Bücher