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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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braucht Zeit. Ein paar Tage. Kannst du ein paar Tage in Breslau bleiben?«
    »Das kann ich.«
     
    Auf dem Schild, das über dem Eingang zum Bad hing, waren die Heiligen Kosmas und Damianus, die Schutzpatrone der Ärzte und
     Bader, dargestellt, der eine hatte eine Balsambüchse, der andere ein Fläschchen Heilelixier in der Hand. Der Künstler hatte
     bei den heiligen Zwillingen weder mit Farbe noch mit Goldglanz gespart, daher zog das Schild die Blicke auf sich, dieleuchtenden Farben sprachen das Auge sogar von weitem an. Für den Bader hatte sich die Investition in den Künstler reichlich
     gelohnt, obwohl es in der Mühlgasse mehrere Bäder gab und die Kunden die Auswahl hatten. Bei »Kosmas und Damianus« war es
     immer voll. Reynevan, den das bunte Schild schon vor zwei Tagen angelockt hatte, musste, wollte er das Gedränge meiden, seinen
     Besuch vorher vereinbaren.
    Im Bad herrschte, wohl weil es früh am Tag war, wahrhaftig kein Gedränge, im Umkleideraum standen gerade mal drei Paar Schuhe,
     und drei Kleidungsstücke hingen herum, die ein grauhaariger Alter bewachte. Der Alte war abgezehrt und ausgemergelt, aber
     er machte eine Miene, deren sich auch der Zerberus im Tartarus nicht geschämt hätte, also überließ Reynevan ihm furchtlos
     seine Kleider und seine Habseligkeiten zur Aufbewahrung.
    »Plagen Euch nicht die Zähnchen?« Der Barbier rieb sich hoffnungsvoll die Hände. »Vielleicht sollten wir ein bisschen was
     ziehen?«
    »Nein, danke.« Reynevan schüttelte sich ein wenig beim Anblick der Zangen, die in verschiedenen Größen die Wände der Barbierstube
     zierten. Die Zangen wurden von einer nicht weniger imponierenden Sammlung von Rasiermessern und großen und kleinen Scheren
     ergänzt.
    »Soll ich Euch zur Ader lassen?« Der Bader gab die Hoffnung nicht auf. »Das kann man sich doch nicht entgehen lassen.«
    »Wir haben Februar.« Reynevan sah den Bader von oben herab an. Schon bei seinem ersten Besuch hatte er ihm zu verstehen gegeben,
     dass ihn dieses und jenes mit der Medizin verband, er wusste, dass Ärzte in Bädern besser bedient wurden.
    »Im Winter sollte man niemanden zur Ader lassen«, fügte er hinzu. »Außerdem haben wir Neumond, das verheißt auch nicht das
     Beste.«
    »Ja, wenn das so ist
. . .
« Der Bader kratzte sich am Hinterkopf. »Dann also nur eine Rasur?«
    »Zuerst ein Bad.«
    Die Badestube stand Reynevan, wie sich zeigte, zur alleinigen Verfügung, die anderen Kunden nutzten das Warmbad, das Dampfbad
     und die Birkenruten. Der sich am Badebottich betätigende Bademeister entfernte, als er den Kunden sah, den schweren Deckel
     aus Eichenbrettern. Ohne zu zögern, stieg Reynevan in den Bottich, streckte sich behaglich und tauchte bis zum Hals ein. Der
     Bademeister zog den Deckel wieder ein Stück nach vorn, damit das Wasser nicht abkühlte.
    »Ich habe medizinische Traktate im Angebot«, ließ sich der immer noch anwesende Bader vernehmen. »Gar nicht teuer. ›De urinis‹
     von Aegidius Corboliensis, ›Regimen sanitatis‹ von Siegmund Albich
. . .
«
    »Danke. Momentan schränke ich meine Ausgaben etwas ein.«
    »Ja, wenn das so ist
. . .
Dann also nur die Rasur?«
    »Nach dem Bad. Ich werde Euch rufen.«
    Das heiße Bad machte Reynevan träge und schläfrig, ohne zu wissen, wie, war er plötzlich eingenickt. Der scharfe Geruch der
     Seife, Pinsel und Schaum auf den Wangen weckten ihn. Der hinter ihm stehende Barbier zog Reynevans Kopf nach hinten und kratzte
     ihm über Hals und Adamsapfel, beim nächsten, ziemlich energischen Strich ritzte das Rasiermesser schmerzhaft sein Kinn. Reynevan
     biss die Zähne zusammen und fluchte.
    »Ich habe Euch doch nicht etwa geschnitten?«, erklang es hinter seinem Rücken. »Bitte um Nachsicht.
Mea culpa.
Das liegt nur an der mangelhaften Ausrüstung.
Dimitte nobis debita nostra.«
    Reynevan kannte diese Stimme und diesen polnischen Akzent.
    Bevor er noch irgendetwas tun konnte, hatte Łukasz Bożyczko den Deckel des Bottichs hinuntergedrückt und ihn so herangeschoben,
     dass er Reynevan gegen die Wand des Bottichs presste und hart auf seine Brust drückte.
    »Wahrhaftig«, sagte der Abgesandte der Inquisition, »du bist wie Majoran, Reinmar von Bielau. Man findet dich in allen Speisen
     und Gerichten. Bleib ruhig und hab Geduld.«
    Reynevan blieb ruhig und hatte Geduld. Der schwere Deckel, der ihn wirksam im Bottich gefangen hielt, half ihm dabei. Und
     der Anblick des Rasiermessers, das Łukasz Bożyczko immer noch in

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