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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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krümmte sich vor Schmerzen.
    »Wo ist das Mädchen?«
    Wieder ein Peitschenhieb. Sie heulte auf. Ihr Schrei vermischte sich mit anderen, die aus den Stallungen und der Scheune drangen.
    »Wo ist das Mädchen?«
    »Ihr kriegt sie nicht
. . .
Sie ist nicht hier
. . .
Ist weit weg.«
    Der schwarze Reiter beugte sich aus dem Sattel über sie. Sie sah seine Augen. Böse Vogelaugen.
    »Ich habe angeordnet, deine Knechte, Pferdepfleger, Mägde und Kinder im Stall einzusperren«, sagte er. »Ich werde sie dortverbrennen, ich lasse sie schmoren, mit all deinen Pferden. Wenn du mir nicht sagst, wo das Mädchen ist, verbrenne ich sie
     alle bei lebendigem Leibe.«
    »Du kriegst sie nicht«, sagte sie noch einmal und spuckte Blut, ein Peitschenhieb hatte ihr die Lippen aufgerissen. »Du wirst
     sie niemals finden und wirst ihr niemals ein Leid antun können.«
    Der Reiter wandte sich um und erteilte seine Befehle. Gleich darauf explodierte die Nacht in einem heißen Feuerstoß, es wurde
     hell vom Widerschein eines gewaltigen Feuers. Und ein schrecklicher Schrei ertönte, ein Schrei, der das Prasseln des Feuers
     nicht ersticken konnte. Der Schrei der Tiere, die lebendig verbrannten. Und der Menschen.
    Gott vergib mir, betete Dzierżka insgeheim, während sie, um sich vor den Stockschlägen zu schützen, den Kopf zwischen die
     Schultern zog. Gott vergib mir meine Sünden. Aber sie hätten Elencia getötet
. . .
Die Leute und die Pferde hätten sie ohnehin abgeschlachtet
. . .
    Das Feuer stieg hoch empor in den Himmel. Es wurde taghell. Aber Dzierżka sah nichts. Sie war wie blind.
    Man warf sie auf die Erde. Mit einem Riemen band man ihr die Füße an den Knöcheln zusammen. Ein Pferd wieherte und stampfte
     auf, der Riemen spannte sich, sie spürte einen Ruck und wurde über den Boden geschleift.
    »Deine letzte Chance, Pferdehändlerin«, kam von irgendwo her die böse Stimme des schwarzen Reiters. »Sag, wo das Mädchen ist,
     und ich schenk’ dir einen raschen Tod.«
    Dzierżka biss die Zähne zusammen. Gleich werde ich wieder bei dir sein, Zbylut, dachte sie. Ich werde ein bisschen leiden,
     aber das macht gar nichts, das halte ich aus. Und dann werde ich wieder an deiner Seite sein.
    Jemand schrie, jemand pfiff, das Pferd fiel in Galopp. Die Welt verwandelte sich vor Dzierżkas Augen in eine lange Feuerlinie.
     Wie eine Raspel schnitten Kiesel ihren Körper auf.
    Nach der dritten Kehre verlor sie das Bewusstsein.
     
    »Sie wird überleben«, stellte der aus Neumarkt herbeigerufene Mönch fest, dem im dortigen Franziskanerkloster die Pflege der
     Kranken anvertraut war. »Sie wird leben, so Gott will
. . .
Neue Haut wird nach und nach die Wunden bedecken. So Gott will, werden auch die Knochen und Gelenke wieder zusammenwachsen
     und gesunden.«
    »Wird sie wieder laufen können?«, fragte, auf seinem Schnurrbart herumkauend, Ritter Tristram von Rachenau, der Herr auf Bockau.
     Sein Sohn Parzival spähte hinter seinem Rücken hervor.
    »Wird sie wieder reiten können? Sie ist doch Pferdehändlerin, sie lebt von den Pferden. Schafft sie es, wieder im Sattel zu
     sitzen?«
    Der Franziskaner schüttelte den Kopf und sah Elencia an.
    »Ich weiß es nicht
. . .
«, stammelte er. »Vielleicht. Vielleicht irgendwann, mit Gottes Gnade
. . .
Sie ist schrecklich zugerichtet
. . .
Was für ein Glück, edler Herr, dass Ihr mit Eurem Trupp zu Hilfe geeilt seid und jene vertrieben habt. Denn sonst
. . .
«
    »Nachbarschaftshilfe, ganz einfach«, gab Tristram von Rachenau brummend zurück. »Damit ist auch das geregelt, hier bei mir,
     hier in meinem Hause, soll sie liegen und sich auskurieren. Solange sie nicht gesund wird, nicht auf eigenen Füßen steht und
     ihre Leute Schalkau nicht wieder aufbauen können. Ha, es ist ein Wunder, dass sie aus dem Stall herausgekommen sind, sonst
     wären dort alle verbrannt, kein Einziger wäre lebend davongekommen. Und die meisten Pferde haben es auch geschafft, vor dem
     Feuer zu fliehen
. . .
Bei meiner Ehre, das ist ein Wunder, ein wahres Wunder.«
    »Gott hat es so gewollt.« Der Franziskaner bekreuzigte sich. »Und auch ich werde bleiben, Herr Ritter, so Ihr es gestattet.
     Ich muss die Kranke jetzt unablässig versorgen, Verbände wechseln
. . .
Das Fräulein wird mir helfen. Fräulein?«
    Elencia hob den Kopf und wischte sich mit dem Handgelenk über die vom Weinen geschwollenen Lider.
    »Ich helfe Euch.«
    Dzierżka de Wirsing bewegte sich auf ihrem Lager, sie stöhnte dumpf unter ihren

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