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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und fiel hin, schaffte es aber im Fallen noch, ihm das Messer in den Schritt zu stoßen, es schlitzte
     die Hose auf, und nur ein Wunder und seine schnelle Reaktion retteten Reynevans Gemächt und die Hauptschlagader am Schenkel.
     Beim Ausweichen stolperte er jedoch und fiel ebenfalls hin. Der Kranke warf sich wie eine Wildkatze auf ihn und stieß diesmal
     von unten nach oben zu. Reynevan griff nach der Hand mit dem Messer. Er hielt sie mit beiden Händen und mit aller Kraft fest
     und zog den Kopf ein, da der Angreifer mit der Linken wild um sich schlug.
    Es war genauso schnell zu Ende, wie es begonnen hatte. Ringherum wimmelte es plötzlich von Männern. Einige packten den Kranken
     und zogen ihn von Reynevan weg, dabei röchelte, zischte und fauchte der Kranke wie ein Tiger. Er ließ das Messer erst fallen,
     als einer der Mähren ihm recht unsanft den Absatz seines Stiefels in die Hand bohrte.
    Urban Horn stand mit verschränkten Armen da. Er sah sich das Ganze an und schwieg.
    »Er hat mich überfallen! Der da!«, schrie Reynevan und deutete auf den Angreifer. »Ich bin pissen gegangen, und der hat sich
     mit dem Messer auf mich gestürzt!«
    Der von den Eulenberger Burgmannen festgehaltene Kranke wollte etwas sagen, konnte aber nur die Augen aufreißen,röcheln und erlitt einen schweren Hustenanfall. Reynevan ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen.
    »Er hat mich angegriffen! Völlig grundlos! Er wollte mich umbringen! Seht doch mal, wie er mich zugerichtet hat!«
    »Verbindet ihn«, sagte Horn, »schnell, ihr seht doch, dass er blutet. Und den anderen lasst los, er soll aufstehen. Nehmt
     ihm das Messer weg. Und passt in Zukunft besser auf eure Waffen auf. Das Messer gehört einem von euch. Er hatte keins.«
    »Was denn, ihr lasst ihn los?«, brüllte Reynevan. »Was heißt das, ihr lasst ihn los? Horn! Lass ihn fesseln, verdammt noch
     mal! Das ist ein Mörder!«
    »Halt die Schnauze! Lass dir das Ohr verbinden. Dann kommst du zu uns rüber, dort auf die Seite. Ich sehe schon, wir kommen
     ohne ein ernstes Wort nicht weiter.«
     
    Der Kranke lehnte an einem Baumstamm. Er blickte zur Seite, wischte sich das Blut ab, das ihm immer noch aus der Nase tropfte.
     Er unterdrückte einen Hustenanfall, schwitzte. Und er sah aus wie ein Häufchen Elend.
    »Er wollte mich ermorden.« Reynevan wies mit dem Zeigefinger auf ihn. »Das ist ein Mörder. Er hat sich kränker gestellt als
     er ist. Und hat dann nur auf eine Gelegenheit gewartet, mich umzubringen. Er hat es von dem Moment an geplant, als mir klar
     wurde, wer er ist.«
    Urban Horn verschränkte die Arme vor der Brust und gab keinen Kommentar ab.
    »Ich weiß nämlich, wer er ist«, fuhr Reynevan mit ruhiger Stimme fort. »Ich hatte erst nur einen Verdacht, aber jetzt weiß
     ich es. Als sie uns zum Gefangenenaustausch brachten, war er tatsächlich krank. Ich habe ihn durch Magie geheilt, und er phantasierte.
Adsumus , Domine , Sancte Spiritus, adsumus peccati quidem immanitate detenti, sed in nomine tuo specialiter congregati. Adsumus !
Sagen dir diese Worte nichts?«
    »Natürlich«, Urban Horns Gesicht blieb unbeweglich, »dasist ein bekanntes Gebet. Die Anrufung des Heiligen Geistes. Verfasst hat es der heilige Isidor von Sevilla.«
    »Wir wissen beide, wessen Ausruf das ist«, Reynevan sprach immer noch leise, »wir wissen beide, wer der Kerl ist. Du weißt
     es zweifelsohne seit langem, ich habe es eben erst erfahren, schade, dass ich es nicht von dir erfahren habe, Horn. Dein Geheimnis
     hätte mich fast das Leben gekostet. Es hätte nicht viel gefehlt, und dieser Lump hätte mir die Kehle durchgeschnitten
. . .
«
    »Na und?« Der Kranke bezwang seinen Husten. »Na und? Sollte ich vielleicht warten, bis der da mir die Kehle durchschneidet?
     Ich musste mich absichern. Ich musste mich wehren! Der hatte einen Verdacht
. . .
Und hätte er die Wahrheit erfahren
. . .
Der hätte mich doch in null Komma nichts umgebracht, wenn er erfahren hätte
. . .
«
    »Dass du seinen Bruder getötet hast«, beendete Urban Horn gelassen den Satz.
    »Ja, Reinmar, deine Vermutung trifft zu. Erlaube mir, vorzustellen: Bruno Schilling. Einer aus der Todesrotte der schwarzen
     Reiter von Birkhart von Grellenort. Einer von denen, die deinen Bruder Peterlin ermordet haben.«
     
    Bis zum Morgengrauen machte Reynevan kein Auge zu. Erst ließen ihn die Aufregung, das Adrenalin, seine Wut und der Schmerz
     in seinem Ohr nicht schlafen. Dann kamen die Erinnerungen. Und

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