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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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meine Finger umschlossen, während sie mit ihrer rechten die Zigarette zum Mund führte und sich direkt danach mehrfach bekreuzigte. Dazu murmelte sie etwas, was so fremdartig und geheimnisvoll klang, dass sich meine Nackenhaare aufstellten. Dann, als wäre das Thema für sie erledigt, ließ sie mich los, schlug machtvoll auf den Tisch und teilte Suni ein paar strenge Befehle mit. Verunsichert erhob ich mich.
    »Komm«, sagte Suni. »Wir sind fertig.«
    »Danke«, stotterte ich. »Merci beaucoup.« Ich bedankte mich, weil ich das erste Mal die Wahrheit über Leander hatte sagen dürfen und nicht dafür ausgelacht wurde. Doch Shima war mit ihren Zigaretten beschäftigt. Sie sah nicht mehr zu mir hoch.
    »Und was ist jetzt?«, fragte ich Suni atemlos, als wir den stickigen Wohnwagen verlassen hatten. »Was hat sie gesagt?«
    Suni grinste. Sie wirkte erleichtert. »Sie glaubt dir. Sie meint, du hast eine besondere Gabe, denn du … du kannst deinen Schutzengel sehen? Du hast ihn gesehen, oder?« Sunis Augen leuchteten, doch ich war auf einmal unendlich traurig. Ob ich ihn jemals wiedersehen würde?
    »Ja, ich hab ihn gesehen. Mehrmals sogar.« Ich räusperte mich, um meinen Hals vom Nikotin zu befreien. »Ich darf also bleiben? Und Serdan auch?«, lenkte ich ab.
    »Ja, bis morgen früh. Danach will Shima euch nie wieder begegnen. Heute Abend feiern wir ein kleines Fest am Strand, mit Musik und Tanz. Ihr seid unsere Gäste.« Suni deutete eine Verbeugung an. »Wenn der Tag anbricht, müsst ihr verschwinden. Und wenn euch anschließend jemand fragt, wo ihr gesteckt habt, habt ihr uns nie gesehen.«
    »Natürlich haben wir das nicht!«, beteuerte ich und in Bezug auf Serdan fiel mir diese Beteuerung sehr leicht, denn sie bedeutete, dass er Suni nie gesehen hatte. Das war mir recht. »Sag mal, eure Shima – hören die anderen denn auch auf sie?«
    Ich fragte das nicht ohne Grund. Die dunklen Blicke einiger älterer Männer, die vor einem Wohnwagen standen und rauchten, begleiteten uns bei jedem unserer Schritte.
    Suni kicherte. »Klar tun sie das. Ich hab dir doch gesagt, dass Shima die Älteste ist. Jeder hört auf das, was sie sagt und beschließt.«
    Ich versuchte, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn wir in unserer Familie auf das hören würden, was Oma Anni so den lieben langen Tag sagte und beschloss. Mein Leben wäre definitiv stressfreier, aber noch chaotischer, als es ohnehin schon war. Denn Oma Anni hatte einen Vollknall. Deshalb mochte ich sie ja so sehr.
    »Wie alt ist Shima?«
    »Oh, das wissen wir gar nicht genau. Sie weiß es selbst nicht. Wahrscheinlich so um die hundert.« Sunis Lächeln verblasste, als sie mich ansah. »Sie hat Auschwitz überlebt. Shima kennt die Menschen. Wenn sie sagt, dass du ehrlich bist, verlässt sich jeder von uns darauf. Wenn sie sagt, dass du ein gutes Herz hast, erst recht.«
    Ich blickte verlegen auf meine nackten, staubigen Füße. Gut, dass Shima nicht wusste, wie viel ich in meinem Leben schon gelogen und geflunkert hatte. Oder wusste sie es und es war ihr egal, weil ich im entscheidenden Moment die Wahrheit gesagt hatte?
    »Und was hat sie sonst noch gemeint?«, bohrte ich neugierig weiter. Vielleicht hatte sie ja auch etwas Interessantes über Serdan vom Stapel gelassen.
    »Dass ich euch etwas zu essen und zu trinken geben soll. Und dass du schlafen musst. Aber getrennt von dem Jungen.«
    Und da Shimas Wort galt, blieb uns nichts anderes übrig, als ihr zu gehorchen. Serdan wurde in den Wohnwagen zu Sunis Cousin gebracht und ich durfte mich nach einer Tasse Kaffee und einer kochend heißen Paprikasuppe in das Bett mit den tausend Kissen einkuscheln und mich endlich gründlich ausschlafen, während vor dem Fenster die Salzwiesen der Camargue vorbeizogen und das Meer immer näher rückte. Und mit ihm die Schwarze Sara.

Der Weihnachtseffekt
    Das rhythmische Schlagen einer Trommel und ein grelles Wiehern weckten mich und im ersten Moment konnte ich mich nicht erinnern, wo ich mich überhaupt befand – so tief und fest hatte ich geschlafen.
    »Na endlich«, mischte sich Sunis raue Stimme zwischen die ungewohnt fremdartigen Geräusche. »Ich dachte schon, du willst bis morgen früh durchschlafen.« Aha. Suni. Die Manouches. Der Tross in Richtung Süden. Unser Trip zu Johnny Depp. Ich war bei den Sinti und ich hoffte, dass Serdan es auch noch war, denn den hatte ich seit Stunden nicht mehr gesehen. Warum ein Pferd wieherte, leuchtete mir nicht ganz ein, doch die Trommel

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