Luzifers Hammer
wieder alles im Lot war.«
»Wie das?« fragte Harvey. Die Poesie könnte er ruhig mir überlassen, aber was zum Teufel …
»Der Merkur. Alljährlich eine geringfügige Änderung der Umlaufbahn. Eigentlich kaum der Rede wert, aber doch etwas mehr, als Newton vorausgesagt hat. Ein Mann namens Einstein fand dafür eine plausible Erklärung, und bei dieser Gelegenheit gelang es ihm auch, das Universum als etwas Seltsameres hinzustellen, als es vorher war.«
»Oh. Ich hoffe nur, daß wir bei Kometen auch ohne Relativitätstheorie auskommen …«
»Sicher. Aber es ist nicht allein die Schwerkraft, die sich auf die Umlaufbahn eines Kometen auswirkt. Und das ist eine Überraschung, nicht wahr?«
»Ja. Müssen wir also das Universum noch einmal revidieren?«
»Wie? Nein, das ist viel einfacher. Sehen Sie …« Sharps sprang auf und war auch schon bei der Tafel. Er suchte nach Kreide und murmelte etwas vor sich hin.
»Hier bitte.« Mark kramte ein Stück Kreide aus der Tasche und reichte sie ihm.
»Danke.« Sharps skizzierte ein weißes Knäuel und dann eine Parabel. »Das ist der Komet. Nun wollen wir die Planeten hinzufügen.« Er zeichnete zwei Kreise. »Erde und Venus.«
»Ich denke, die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen«, sagte Harvey.
»Das stimmt. Aber das läßt sich in keinem Maßstab darstellen. Schauen Sie sich einmal die Umlaufbahn des Kometen an. Beide Äste der Kurve, einwärts und auswärts, sehen gleich aus. Parabeln wie sie im Buche stehen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und hier ist der Komet, wie er wirklich aussieht, wenn er sich von der Sonne fortbewegt. Ein dichter Kern, eine Coma aus feinem Staub und Gas …« – er war schon wieder am skizzieren – »eine Art Federbusch aus staubigem Gas, der von der Sonne hinwegströmt. Vordem Kometen, der hinausfliegt. Der Schweif.
Ein großer Schweif, hundert Millionen Meilen lang. Aber er ist nahezu ein Vakuum.
Das muß so sein, wäre er dichter, so wäre im Kometen nicht genügend Materie vorhanden, um so viel Raum auszufüllen.«
»Sicher.«
»Okay. Und jetzt weiter im Text. Aus dem Kopf des Kometen dampft Materie in die Coma aus. Es handelt sich um ein dünnes Gas, um kleine Partikel, die so winzig sind, daß das Sonnenlicht sie hin und herschieben kann. Unter dem Lichtdruck der Sonne fließen sie in entgegengesetzter Richtung, so daß der Schweif stets von der Sonne wegzeigt. Okay? Beim Einfliegen zieht der Komet den Schweif hinter sich her, beim Hinausfliegen eilt ihm der Schweif voraus. Aber …«
»Die Materie verdampft ungleichmäßig. Anfangs, wenn der Komet in das System eintritt, ist er eine feste Masse. Wir nehmen es jedenfalls an, aber niemand weiß es genau. Wir haben mehrere Modelle, die den Beobachtungen entsprechen. Was mich betrifft, so bin ich für das Modell des ›schmutzigen Schneeballs‹. Der Komet besteht aus Gestein und Staub – dem Schmutz, der mit Eis und gefrorenen Gasen zusammengebacken ist: Methan, Kohlendioxid – Trockeneis, Zyanogen und Stickstoff, alle Arten von Stoffen. Diese Gase tauen auf und bilden Blasen, die platzen nach der einen oder anderen Seite. Das wirkt wie ein Düsenmotor, und dadurch wird die Bahn ständig geändert, geringfügig zwar, aber auf große Distanzen macht das eine Menge aus. Wie bei Bahnkorrekturen von Sonden.« Sharps arbeitete mit der Kreide, indem er sie seitwärts hielt. Als er fertig war, waren auf dem eingehenden Ast Schraffuren zu sehen, während der ausgehende Arm weit auseinandergefächert erschien, einem Kometenschweif nicht unähnlich. »So – sehen Sie, deshalb wissen wir nicht genau, wie weit er sich der Erde nähern wird.«
»Ich verstehe. Und Sie wissen nicht, wie groß der Schweif sein wird?«
»Richtig. Aber dies scheint ein neuer Komet zu sein. Kann sein, daß er noch nie der Sonne nahe gekommen ist, anders als der Halleysche Komet, der alle siebzig Jahre wiederkehrt und von Mal zu Mal kleiner wird. Kometen sterben stets ein wenig, sooft sie in die Nähe der Sonne geraten. Sie gasen aus, verlieren ihre Schweifmaterie für immer. So wird also der Schweif jedes Mal kleiner, bis schließlich nichts weiter übrigbleibt als der Kern, und das ist nichts weiter als eine Handvoll Gesteinsbrocken, ein Meteorschauer. Einige unserer photogensten Feuerregen am Nachthimmel sind nichts weiter als Bruchstücke alter Kometen, die auf die Erde fallen.«
»Aber dieser hier ist neu …«
»Das stimmt. Und darum müßte er einen spektakulären Schweif entwickeln.«
»Ich
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