Luzifers Heiliger (Die Londoner Drakulia Vampire #2) (German Edition)
sich nie.
Dann kam ihr ein anderer Gedanke. Hatte er es schon einmal gemacht, bei dem Maskenball? War sie deswegen so unerhört kühn geworden?
Das letzte bisschen Schuldgefühl, das sie vielleicht noch gehabt hatte, verflog und ließ sie sehr erleichtert zurück. So ein kleiner Kuss nach ein paar Gläsern Champagner war gewisslich nicht das Ende der Welt, wenn der Verlobte schon achtzehn Monate fort war, aber Maia hatte sich dennoch endlos Vorwürfe gemacht.
Ganz besonders, weil sie sich außerstande sah, es zu vergessen. Aber jetzt wurde ihr so Manches klar. Sie hatte sich keines Vergehens schuldig gemacht. Es war nicht wirklich ihre Schuld gewesen.
Sie hob den Kopf hoch, zog die Schultern zurück und ging weiter die Treppen zur Eingangshalle hinunter. Der Butler, Crewston, wartete dort immer noch geduldig, und sie gab ihm die Nachricht für Alexander.
„Wo ist der Earl?“, fragte sie.
„In seinem Arbeitszimmer, wie üblich, Miss“, erwiderte er.
Erleichterung überkam sie. Wenigstens war er nicht in seinem Schlafzimmer. Das Gesicht wurde ihr wieder warm bei dem Gedanken ... dem sich nun die Erinnerung an eine Berührung zugesellte, wie ihre Hände auf seinem Leinenhemd und damit seiner Brust zu ruhen kamen ... und sie schob die sogleich aufsteigenden Bilder resolut beiseite.
Ihr Klopfen an der Tür zu seinem Arbeitszimmer mochte daher etwas laut ausgefallen sein. Einen kleinen Anfall von Nervosität unterdrückte sie sofort und holte tief Luft.
Als er sie bat hereinzukommen, in dem gleichen, verärgerten Ton, den er immer an den Tag legte, öffnete sie die Türe, ohne zu zögern, und schritt hinein. Sofort stieg ihr der Geruch von vergilbtem und staubigem Papier und altem Leder in die Nase, sowie eine Andeutung von Pinie vermischt mit Holzrauch und Zeder. Männliche Gerüche, die sie an die Bibliothek ihres Vaters erinnerten ... und doch, etwas anders.
Die Vorhänge vor den drei Fenstern an der Außenwand waren wie immer fast vollständig zugezogen. Und wie zuvor überkam sie der Wunsch, dort an das andere Ende des langen Zimmers hinüberzugehen und sie aufzuziehen. Aber diesmal unterließ sie es, weil sie jetzt wusste, warum er das Sonnenlicht aus dem Zimmer verbannte. Nichtsdestotrotz wurde das Zimmer von Lampen und Kerzen hell, fast taghell, erleuchtet. Und, zwischen den Vorhängen, ganz hinten im Zimmer stahl sich ein kleines Dreieck aus Sonnenstrahlen herein.
Bücher bedeckten die Wände, auf vielen Regalen sah es aus, als stünden sie in zwei oder gar drei Reihen. Weitere Bände stapelten sich in unordentlichen und gefährlich schiefen Haufen, waren auf dem Boden verstreut, auf seinem Schreibtisch, den Tischen, selbst dem Kabinett, worin er seinen Whisky und den Brandy aufbewahrte. Papiere, ebenso Rollen, zusammengebundene Pergamentbögen, und auch noch Schreibfedern und Tinte. Maia hatte bereits bei anderen Gelegenheiten festgestellt, dass der Großteil der Werke, mit denen er sich befasste, nicht auf Englisch geschrieben waren, sondern in einer ganzen Reihe anderer Sprachen – von Griechisch und Latein über Aramäisch zu anderen Sprachen, die sie nicht kannte.
Als sie hereinkam, schrieb er gerade, und selbst aus der Distanz konnte sie die Tintenkleckse auf dem Papier sehen. Seine Schrift war dunkel und schwungvoll und auch hastig. Er schrieb mit der linken Hand, und als er sie anhob, um die Feder in die Tinte zu tauchen, konnte sie kurz einen Fleck verschmierter Tinte an seiner Hand erkennen. Eine der Gefahren, wenn man Linkshänder war. Aus welchem Grund sie selbst Löschpapier verwendete.
Sie bezweifelte ob er einen solchen Ratschlag begrüßen würde.
„Was–“, er schaute hoch, die Brauen finster zusammengezogen. „Miss Woodmore.“ Er klang außerordentlich unerfreut.
Sie versuchte, ihn nicht anzusehen, aber es war schwierig, die starken, entblößten Unterarme auf dem Schreibtisch zu ignorieren. Von einer Farbe wie gut gegerbtes Leder waren sie dicht behaart, schwarz, und überraschend muskulös. Seine Handgelenke waren breit, und seine ebenso breiten, kräftigen Hände, von Tintenflecken übersät, hatten noch mehr Haare auf dem Handrücken. Seinen Mantel konnte sie nirgends erblicken, ebenso wenig eine Weste oder ein Halstuch. Obwohl, der zerwühlte Haufen dort auf einem Stuhl in der Ecke, könnte der Mantel sein. Sein weißes Hemd passte genau über die breiten Schultern, und die dünne Kordel, die es am Hals zuband, hing offen herunter, und
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