Luzifers Kathedrale
eine alte Rechnung beglichen werden konnte.
Über die Wand vor mir huschte der Lampenkreis wie ein heller Ball. Bill leuchtete mit der Lampe, als wollte er noch etwas genau herausfinden.
»John, komm mal näher...«
»Okay, was ist?«
Neben ihm blieb ich stehen. Mit der freien Hand wies Bill auf die Wand. »Diese Flecken, John, weißt du, was das ist?«
»Ja, Blut.«
»Sicher?«
»Ich habe das Gleiche auf dem Boden gefunden. Etwas davon klebt unter meinem Fingernagel.« Ich hielt die Hand hoch, damit Bill die dunkle Stelle sah.
»Und was sagst du dazu?«
»Es könnte hier ein Opferplatz gewesen sein. Ein auf den Kopf gestellter Altarplatz. Nicht umsonst sagt man zu dieser Kirche Luzifer’s Kathedrale.«
»Stimmt. Hast du sonst noch was entdeckt?«
»Nein.«
»Und was ist mit dem Kreuz?«
Ich verzog den Mund. »Es ist noch vorhanden, und ich spüre es auch. Aber es ist nicht greifbar, was uns umgibt.«
Bill schaute gegen die Decke. »Kann sein, dass es noch kommt.«
»Wann?«
»In der Nacht.«
»Ja, du kannst Recht haben. Ich aber denke darüber nach, warum man Ian Warren mit Stacheldraht umwickelt hat und wer dies tat? Waren es Geschöpfe der Finsternis oder...«
»Denkst du an Menschen?«, flüsterte Suko.
»Ich schließe es zumindest nicht aus.«
Er sagte nichts. Nagte nachdenklich an seiner Unterlippe.
Möglicherweise suchte er nach Worten, was mich nicht weiter störte, denn ich schaute zum Eingangsbereich der Kirche, und das war Richtung Norden.
Ich fand genau das, was ich suchte. Es gab eine Orgel, die höher lag. Wenn jemand auf diesem Instrument spielen wollten, musste er es auch erreichen. Die Kirchen, die ich kannte, waren so gebaut, dass er es über eine Stiege oder Treppe schaffte.
»Ich werde mir die Orgel mal ansehen. Kann sein, dass es dort weitere Spuren gibt.«
»Soll ich hier unten bleiben?«
»Ja, halte die Augen offen.«
»Was erwartest du denn?«
»Ich kann es dir nicht sagen, Bill, ehrlich nicht. Aber ich habe das verdammte Gefühl, nicht mehr allein zu sein, verstehst du? Irgendwas ist hier, auch wenn wir es nicht sehen. Sonst hätte sich das Kreuz nicht gemeldet. Ich will herausfinden, was es ist.«
»Okay, ich drücke dir die Daumen.«
Ich ging wieder zurück bis zum Weihwasserbecken. Das Kreuz gab auch weiterhin die Wärme ab, und wieder musste ich meine Leuchte einsetzen, um das Dunkel zu erhellen.
Der Strahl bewegte sich in eine bestimmte Richtung. Sofort huschte ein Lächeln um meinen Mund, denn ich hatte gesehen, was ich sehen wollte. Es gab einen Aufgang zur Orgel hin, der allerdings leicht versteckt in einer Nische lag.
Die Stufen bestanden aus Holz. Ich sah den Staub, der auch hier lag, leuchtete einige von ihnen ab und war etwas enttäuscht, weil ich keine Fußabdrücke entdeckte.
Hier war also lange niemand mehr hergegangen, und das änderte sich jetzt. Ich probierte die erste Stufe aus, wohl wissend, dass Holz auch brüchig werden kann. Aber es hielt mein Gewicht aus, und auch die zweite Stufe brach nicht unter mir zusammen.
Nur war es mir leider nicht möglich, die Treppe lautlos hochzugehen. Das alte Material ächzte unter der Belastung. Manchmal hörte sich das Knarren schon bedrohlich an, aber ich hatte Glück.
Sicherheitshalber hielt ich mich am Knauf des alten Geländers fest und befreite es so von der Staubschicht.
Die Treppe schlug einen Bogen nach rechts. Dann konnte ich die Orgel sehen.
Noch zwei Stufen, und ich hatte die Empore erreicht. Auch hier lag der Staub fingerhoch. Ich spürte, wie die Haut in meinem Gesicht von Spinnweben gestreift wurde. Das war ich mittlerweile gewohnt. Die Orgel selbst interessierte mich weniger. Ich trat an die Balustrade heran und blickte nach unten.
Bill hielt sich noch dort auf, wo wir das Blut gefunden hatten. Seine Gestalt war im schlechten Licht kaum zu erkennen. In den nächsten Sekunden erlebte ich die gute Akustik in der Kirche, denn ich brauchte nur halblaut zu sprechen, um von Bill gehört zu werden.
»Bist du oben?«
»Ja.«
Er leuchtete in meine Richtung, ohne mich jedoch zu treffen. »Und? Hast du was entdeckt?«
»Nein, hier ist nur die Orgel. Verstaubt und vergessen. Was immer sich hier aufhält, es bleibt versteckt. Aber ich werde mich trotzdem ein wenig umschauen.«
»Okay, tu das.«
Bill blieb weiterhin unten, und ich leuchtete die Empore ab.
Kein Kreuz, kein Bild, keine Figur. Kahl und leer. Eine entweihte Kirche. Sie hätte auch ebenso eine Zuchthauszelle für Schwerverbrecher
Weitere Kostenlose Bücher