Lycana
war sich Ivy sicher, dass sie noch immer hinter ihnen her waren.
»Da sich dieser Vampir in der Höhle nicht selbst ermordet hat, müssen die anderen entkommen sein. Es waren auf alle Fälle Vampire, und das heißt, sie müssen in der Lage sein, ihre Gestalt zu ändern, sodass sie als kleine Tiere oder Nebel durch ein winziges Loch hinausschlüpfen konnten. Jedenfalls sehe ich keinen Grund, warum sie ihre Verfolgung nun einstellen sollten. Und es wäre naiv zu glauben, wir könnten ihnen auf dem Landweg entwischen. Nicht nachdem sie uns auf See um halb Irland gefolgt sind.«
Franz Leopold nickte nachdenklich. »Wir lassen zu viele Spuren zurück. Warum nur haben wir nicht gleich damit begonnen, zu trainieren, uns in Fledermäuse oder Eulen zu verwandeln? Dann könnte uns niemand folgen und wir wären schneller.«
»Das ist schon richtig, aber ich vermute, du erinnerst dich noch an Catrionas Erläuterungen in der ersten Nacht.« Ivy ignorierte sein abfälliges Schnauben und fuhr mit etwas lauterer Stimme fort: »Es ist schwer, sich in Tiere zu verwandeln, die Eigenschaften besitzen, die uns fremd sind. Und dazu gehört ganz sicher das Fliegen!«
»Es ist schwer, es ist schwer«, äffte Franz Leopold sie nach. »Aber ihr Lycana könnt es - zumindest viele von euch. Also dürfte es auch für uns kein ernsthaftes Hindernis darstellen.«
»Das nicht«, gab Ivy zu, »ohne Übung kann es jedoch nicht gelingen.«
»Und warum üben wir dann nicht, statt hier nur stumpfsinnig durch die Gegend zu laufen? Kann man nicht auch während des Gehens trainieren?«
Ivy war überrascht, Luciano stöhnte. Alisa jedoch klatschte begeistert in die Hände. »Das ist der beste Vorschlag, den ich je aus deinem Mund gehört habe, Leo!«
Er verneigte sich spöttisch in ihre Richtung. »Gern geschehen!«
Alisa sah Ivy auffordernd an. »Du weißt, wie es geht. Sag uns, worauf wir achten sollen! Und dann versuchen wir es einfach.«
Ivy zögerte, doch schließlich nickte sie und begann, ihnen zu beschreiben, was der Unterschied zwischen einer Wandlung in einen Wolf, in eine Fledermaus oder gar in ein winziges Insekt war. Die drei Freunde hörten aufmerksam zu und machten sich dann an die Vorübungen, die Ivy ihnen empfahl. Sie half und korrigierte, und so verging die Zeit, ohne dass sie recht merkten, wohin sie ihre Füße trugen. Mal führte sie Donnchadh direkt am steinigen Strand entlang, dann wieder über flache Hügel, auf denen bei Tag Schafe weideten. Sie kamen an nur wenigen Fischerhütten vorbei, doch dann tauchten vor ihnen Lichter auf. Unzählige Lichter, die von vielen Menschen sprachen.
»Was ist das dort vorn?«, fragte Luciano, wahrscheinlich um Ivys Unterricht für einige Augenblicke zu unterbrechen.
»Das sind die Lichter von Galway, eine der größten Städte hier im Westen und doch nicht zu vergleichen mit Dublin oder gar Rom. Bis die Normannen es im 13. Jahrhundert eroberten, war es nur ein Fischerdorf, dann allerdings wurde es zu einem wichtigen befestigten Stützpunkt der Engländer.«
Obwohl die jungen Vampire neugierig auf die Stadt an der Mündung des Corrib gewesen wären, führten sie die Lycana im Osten an ihr vorbei. Dann jedoch näherten sie sich der Stadt wieder von Norden her.
»Ich habe das Gefühl, wir laufen im Kreis«, sagte Alisa.
»Das nicht. Doch ich vermute, wir werden den Corrib über die Brücken passieren. Wenn wir ihm weiter folgen, müssen wir eine Fähre benutzen oder hinüberschwimmen.«
»Was ihr für gewöhnlich tut, indem ihr euch in eine Forelle oder was weiß ich was verwandelt«, vermutete Luciano.
Ivy lächelte verschmitzt. »Nein, das habe ich noch nicht ausprobiert. Für gewöhnlich ziehen wir es vor, über das Wasser hinwegzufliegen.«
»Wobei wir wieder beim Thema wären«, murmelte Franz Leopold.
Donnchadh führte sie am Ufer entlang auf die Stadtmauer zu, bog dann aber zu einer steinernen Brücke ab, die sie auf eine Insel brachte, über der ein mächtiges Gebäude aufragte.
»Das Gefängnis, das die Engländer für die Aufständischen gebaut haben«, sagte Ivy. »Aber ich habe gehört, die Kirche denkt daran, hier eine Kathedrale zu bauen. Die alte Normannenkirche ist ihnen nicht mehr gut genug. Sie wollen in die Moore ziehen und den grünen Marmor von Connemara für ihr Gotteshaus brechen!«
Ihr wilder Gesichtsausdruck veranlasste die Freunde, zu fragen. »Was ist schlimm daran, dass sie ihre Kirche aus Marmor bauen?«
»Sie rauben Irlands Seele.« Als Ivy bemerkte,
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