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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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wird mit jedem Tag schwächer und ist bald verweht«, rief Ivy. »Lasst uns mitkommen. Wenn alle Erben helfen und wir uns in kleine Gruppen aufteilen, können wir ein viel größeres Gebiet absuchen.«
    Doch wie in der Nacht zuvor ließen Donnchadh und Catriona nicht mit sich reden. »Es ist zu gefährlich«, lautete ihr unumstößliches Argument. »Wir wissen nicht, ob die Verfolger noch immer irgendwo dort draußen lauern und auf eine günstige Gelegenheit warten, zuzuschlagen.«
    »Wir konnten, seit wir Aillwee verlassen haben, keine Spur mehr von ihnen entdecken«, protestierte Ivy, doch auch das ließen sie nicht gelten. Stattdessen scheuchten sie alle in den Hof. Alisa hielt besorgt nach Hindrik und den anderen Servienten Ausschau, die sich nicht verwandeln konnten.
    »Sie kommen mit Tara gleich nach«, beruhigte Catriona. »Wir haben ihnen die Bereiche auf dieser Seeseite zugeteilt, damit sie keinen so langen Rückweg haben.«
    Und da kamen auch schon die beiden Wölfe der Druidin in Sicht. Sie hatten das Tor noch nicht erreicht, als die Schimmelstute zwischen den Bäumen am anderen Ufer auftauchte und mit ihr ein Dutzend schattenhafter Gestalten. Bald scharten sich die Erben um ihre Servienten und bedrängten sie, ihnen zu berichten, was sie erlebt hatten. Außer natürlich die Dracas, die sich nicht mit Unreinen zu unterhalten pflegten. Anna Christina fuhr ihre Servientin nur an, ihr endlich das Haar zu richten, während sich Matthias wieder stumm an die Seite seines Herrn gesellte.
     

IN DER GLENGOWLA-MINE
    Am Abend, als die Lycana und ihre Helfer sich wieder auf den Weg gemacht hatten, begab sich Alisa auf die Suche nach Ivy. Sie hatte sich am Morgen erfolgreich um eine Erklärung gedrückt, aber nun sollte sie zu dem ungeheuerlichen Vorfall Stellung nehmen! Alisa verließ den Turm und suchte die Burg nach ihr ab.
    »Sie geht uns aus dem Weg!«, sagte Luciano, als sie ihm zum zweiten Mal unverrichteter Dinge begegnete.
    »Steng genommen geht sie nicht«, berichtigte Franz Leopold, »sie steht nur da und starrt in die Luft - und das an einer so exponierten Stelle, dass man es nicht gerade ein Versteck nennen kann!«
    »Was?« Alisa und Luciano drehten sich im Kreis, um zu sehen, was Franz Leopold meinte.
    »Ihr müsst euren Blick schon ein wenig höher richten.«
    Alisa legte den Kopf in den Nacken und stieß einen Schrei aus, als sie Ivys Gestalt entdeckte. »Was um alles in der Welt tut sie dort?«
    »Sie sieht aus wie ein großer silbriger Vogel, der sich gleich in die Lüfte erhebt«, meinte Luciano, der ihrem Blick gefolgt war. Die beiden sahen einander entsetzt an.
    »Das kann sie nicht, oder?«, fügte Luciano unsicher hinzu.
    »Da wäre ich mir nicht sicher!« Franz Leopold stieß einen Fluch aus und rannte los. Alisa und Luciano folgten ihm.
     
    Ivy war die Erste gewesen, die sich an diesem Abend von ihrem Lager erhoben hatte. Sie huschte die Treppe zum Wehrgang hinauf und kletterte dann auf den First des Walmdachs, wohin  Seymour ihr nicht folgen konnte. Missmutig legte er sich nieder, ohne sie jedoch aus den Augen zu lassen. Ivy stützte das Kinn in die Hände und sah über den Lough, der sich in einem schimmernden Band nach Norden und Süden erstreckte, so weit das Auge reichte. Dort irgendwo waren die Werwölfe mit ihrem Schatz an Land gegangen, aber wo? Und was war ihr Ziel? Sie hatten ja sicher nicht vor, mit dem wertvollen Stein auf Dauer wie Nomaden über Land zu ziehen. Nein, sie hatten ein Versteck im Auge, das ihnen sicher erschien, doch so sehr sich Ivy den Kopf zerbrach, ihr fiel nichts ein, was auf die Werwölfe eine besondere Anziehungskraft ausüben könnte.
    »Sie können überall hingehen!«, seufzte sie. Etwas scheuerte bei diesem Gedanken unangenehm an ihrem Geist. Da war etwas, was ungeheuer wichtig war. Doch sobald sie den Gedanken greifen wollte, verschwand er.
    »Sie können überall hingehen!«, wiederholte sie. Irgendetwas war an diesem Satz falsch. Aber warum? Und woher kam dieser Zweifel, der immer mehr zur Gewissheit wurde? Sie hörte eine Stimme, die sie schon einmal vernommen hatte. Sie klang ein wenig zittrig, schwach und undeutlich.
    Plötzlich sah sie ihn vor sich. Ivy sprang auf und stand nun hoch aufgerichtet auf dem First. Das war es! Was, wenn dieser Satz nicht nur von einem Altersschwachsinnigen so dahingesagt worden war? Was, wenn er genau wusste, wovon er redete? Es war müßig, sich das jetzt zu fragen. Sie hatte die Gelegenheit ungenutzt verstreichen

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