LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
habe«, sagte Emma.
Ethan hob eine Schulter. »Das macht nichts. Meine Eltern sind nicht zu Hause.« Er trat beiseite und machte Emma Platz. »Komm rein.«
Die Briefe in der Hand, folgte sie ihm durch einen langen Flur, der mit einer hellen Blümchentapete tapeziert war. An den Wänden hingen Bilder, wie Emma sie bislang nur in Krankenhäusern gesehen hatte: Aquarelle von Rosen und Sonnenuntergängen. Keine Fotos von Ethan. Das Haus roch seltsam – irgendwie unbewohnt und muffig. Auf jeden Fall nicht sehr einladend.
Ethan führte Emma in ein kleines, dunkles Zimmer. »Das ist mein Zimmer«, sagte er und fuhr sich durchs Haar. »Offensichtlich«, fügte er plötzlich verlegen hinzu.
Emma schaute sich um. Sie hatte sich schon oft vorgestellt, wie Ethans Zimmer wohl aussehen mochte. Ein bisschen unordentlich, voller Sternkarten, Teilen von Fernrohren, alten Chemiekästen, eselsohrigen Notizbüchern und Unmengen von Büchern. Aber dieser Raum war makellos. Auf dem Teppich waren die Spuren eines Staubsaugers zu sehen. Auf dem Nachttisch lagen ein paar schwarze Kletterhandschuhe und das lederne Notizbuch, das Emma an dem Abend aufgefallen war, an dem sie Ethan kennengelernt hatte. Auf dem Schreibtisch befand sich nur ein alter Laptop – sonst nichts, nicht einmal ein Kugelschreiber. Das Bett war so ordentlich gemacht, dass eigentlich nur noch die kleine Willkommenssüßigkeit auf dem Kopfkissen fehlte. Das Federbett war glatt gezogen, die Kissen fein säuberlich arrangiert. Emma hatte eine Zeit lang in einem Holiday Inn als Zimmermädchen gejobbt, und sie hatte es nie geschafft, die Kissen so aufzuklopfen.
Sie schaute Ethan an und hätte ihn am liebsten gefragt, ob dies wirklich sein Zimmer war. Dieser Raum war vollkommen charakterlos. Aber Ethan wirkte so verlegen, dass sie sein Unbehagen nicht noch schlimmer machen wollte. Stattdessen setzte sie sich aufs Bett und breitete die Briefe auf der Tagesdecke aus.
»Die habe ich heute in Thayers Zimmer gefunden«, sagte sie. »Sutton hat sie ihm geschrieben. Sie beweisen, dass die beiden eine Affäre hatten.«
Ethan nahm einen Brief nach dem anderen in die Hand und überflog den Inhalt. Emma empfand einen Anflug von Schuldbewusstsein, als verrate sie ihre Schwester damit, dass sie ihre innersten Gefühle preisgab.
Obwohl ich verstand, warum Emma Ethan die Briefe zeigte, hätte ich sie am liebsten an mich gerissen. Was darin stand, war schließlich sehr privat.
»Ich hätte nie geglaubt, dass ich so verrückt nach jemandem sein könnte«, las Ethan laut vor. Er drehte das Blatt um. »Ich will dich im Football-Stadion der University of Arizona küssen, in dem Gestrüpp hinter dem Haus meiner Eltern, auf dem Gipfel des Mount Lemmon …« Er brach ab und räusperte sich.
Emma spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Die beiden waren offensichtlich total ineinander verknallt.«
»Aber sie war immer noch mit Garrett zusammen«, sagte Ethan und zeigte auf eine andere Stelle in dem Brief: Ich will mit Garrett Schluss machen und mit dir zusammen sein, das schwöre ich dir. Aber es ist der falsche Zeitpunkt dafür und das wissen wir beide. »Vielleicht war Thayer sauer, weil Sutton die ganze Zeit noch mit ihrem Freund zusammen war … und hat sie deshalb umgebracht.«
Ich erschauderte und dachte daran, wie plötzlich Thayer sich verändert hatte, als wir auf unserer Wanderung von Garrett gesprochen hatten. Sein Jähzorn war beängstigend – sogar er selbst gab zu, dass das sein größter Charakterfehler war und ihn an seinen Vater erinnerte. Hatte das gereicht, um ihn bis zur Weißglut zu treiben?
Emma ließ sich nach hinten sinken und schaute an die abgehängte Decke. »Das kommt mir ziemlich extrem vor. Ein Mädchen umzubringen, weil es nicht mit seinem Freund Schluss machen will.«
»Menschen haben schon aus viel geringeren Anlässen gemordet.« Ethan starrte auf seine Hände. Er wirkte abwesend, als mache ihn etwas traurig. Als er endlich sprach, wählte er seine Worte sehr sorgfältig. »Vielleicht hat Sutton ihn in den Wahnsinn getrieben. Sie war eine Meisterin der Manipulation.«
»Was soll das denn heißen?«, fragte Emma bissig. Ethans Ton gefiel ihr nicht. Und was er über ihre Schwester gesagt hatte, auch nicht.
»Einen Moment lang war sie in dich verschossen«, sagte Ethan. »Und im nächsten Augenblick behandelte sie dich wie Dreck. Ich habe sie eine ganze Menge Jungs so behandeln sehen.« Er runzelte die Stirn. »Vielleicht hat sie das auch mit
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